Kommentar:Volles Haus

Kommentar: undefined

Frauen im Fußball gelten oft noch als Phänomen - sogar wenn sie, wie die Männer, einfach nur die Stadien füllen. Normalität bedeutet, sie nicht als ungewöhnlich zu betrachten.

Von Anna Dreher

Am schönsten wäre natürlich ein anderes Ende gewesen, aber vielleicht war es auch ganz gut so. Wenn das Ungewöhnliche normal werden soll, dann müssen schließlich normale Dinge passieren, sonst ändert sich ja nichts am Sonderstatus.

Imke Wübbenhorst wird nach dieser Saison also nicht mehr Trainerin beim BV Cloppenburg sein, beim abstiegsbedrohten Männer-Oberligisten aus Niedersachsen. Trotz ihrer akribischen Arbeit hat sich am Tabellenplatz nichts geändert, Cloppenburg ist immer noch Letzter. Aber die sportliche Lage war vorher bekannt, sie soll nicht der Grund der Trennung gewesen sein. Zumal die Spieler die 30-Jährige offenbar sehr schätzen. Was dann? "Es ist mir schon klar, dass ich jetzt in die Schusslinie gerate und mich viele Leute für einen Macho halten werden", hat Cloppenburgs Vereinspräsident Jürgen Vortmann der Oldenburger Nordwest-Zeitung gesagt. "Bei einem Mann hätten wir aber ähnlich entschieden."

Das Geschlecht war ja schon bei der Einstellung kurz vor Weihnachten kein Kriterium. Wübbenhorst verfügt über eine A-Lizenz des Deutschen Fußball-Bundes, sie spielte selbst erfolgreich und coachte zunächst die Zweitligafußballerinnen des BVC. Bemerkenswert war die Reaktion der Öffentlichkeit, sogar aus Großbritannien und Brasilien schickten die Medien Anfragen. Eine Frau als Trainerin im Männerfußball! Wahnsinn!

Dabei ist doch der Wahnsinn, dass die Aufregung darüber so groß war.

Wübbenhorst hat sich noch nicht geäußert, offiziell erfolgte die Trennung, weil sie bald die Fußballlehrer-Lizenz erwerben will. Ihr Verein befürchtet dadurch eine zu große zeitliche Einschränkung. Das Ende dieser Zusammenarbeit ist also offenbar ein sportlich völlig normaler Vorgang. Klubs trennen sich von Trainern, Trainer trennen sich von Klubs. Ein kleiner Rückschlag ist es trotzdem, weil der Wechsel vom Außergewöhnlichen zum Normalen eben Zeit braucht. Noch bevor klar war, ob diese Geschichte eines oder mehrere Kapitel haben würde, war Wübbenhorst ja vor allem die Moral der Geschichte wichtig: "Es wäre schön, wenn durch mein Wirken rumkommt, dass auch Frauen Männer trainieren können", sagte sie. "Ich möchte, dass andere Vereine die Angst verlieren, so einen Schritt zu gehen."

Aber Frauen im Fußball, das ist für viele eben immer noch ein Phänomen - im Männerbereich sind sie eine Ausnahmeerscheinung, im Frauenbereich kämpfen sie um Wahrnehmung. In dieser Hinsicht wiederum waren die vergangenen Tage gar nicht so schlecht. Vor zwei Wochen sahen sich 60 739 Zuschauer die Partie zwischen Atlético Madrid und dem FC Barcelona im Stadion an, so viele waren weltweit noch nie bei einem Ligaspiel im Frauenfußball. Eine Woche später beim 1:0 von Juventus Turin gegen den AC Florenz: 39 027 Fans. Ja, der Eintritt war frei und die Männer haben pausiert - aber das Interesse war da, in Dimensionen, wie man sie von diesem Sport andernorts sonst auch kennt. Warum auch nicht?

In Frankreich findet vom 7. Juni bis 7. Juli die WM statt, das Turnier könnte Impulse setzen und dazu beitragen, dass die Besucherzahlen sich häufiger in solchen Bereichen bewegen oder zumindest wieder steigen. In der Vergangenheit war es oft so: Sind die Nationalteams mit attraktivem Fußball erfolgreich, kommen auch sonst mehr Zuschauer.

Die DFB-Frauen jedenfalls sorgen dafür, dass auch in Schweden ein Rekord aufgestellt wird: Für das Länderspiel am 6. April wurden mehr als 27 000 Tickets verkauft. Zum Länderspiel der DFB-Männer gegen Serbien kamen 26 101. Aber es geht ja nicht um einen Wettstreit. Frauen im Fußball sollten nur nicht mehr als ungewöhnlich betrachtet werden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: