Kommentar:Unerforschte Möglichkeiten

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Der 1. FC Nürnberg und der VfB Stuttgart setzen im Bundesliga-Abstiegskampf auf ungewöhnliche Mittel.

Von Sebastian Fischer

Man sollte dem Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg eines ganz sicher nicht vorwerfen: dass er nicht voller Sorgfalt all seine Optionen abgewogen hat, auf die 15 Spiele währende Sieglosigkeit des Tabellenletzten zu reagieren. Dafür spricht nicht nur der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Entschlusses (nach Mitternacht!), dafür sprechen auch Teile der Erklärung von Aufsichtsratschef Thomas Grethlein. "Wir wissen, dass der Trainerwechsel kein Königsweg ist", sagte er, um danach auf die Konkurrenz zu verweisen: Beim VfB Stuttgart laufe es ja auch mit neuem Trainer nicht besser - und bei Hannover 96 müsse man das erst mal abwarten. Auch den Augsburger Weg habe man geprüft, führte er aus: dem jungen Trainer also einen erfahrenen Assistenten zur Seite zu stellen. Aber das hielten alle neun Aufsichtsräte wohl eher für Quatsch (und selbst in Augsburg sagen sie ja, Jens Lehmann sei kein Aufpasser für Manuel Baum). Also entschieden sie sich in Nürnberg eben dafür, das gesamte sportliche Führungspersonal zu feuern, den Manager Andreas Bornemann und den Trainer Michael Köllner.

Im Sport gilt es als klassische Krisenlösung, den Trainer zu wechseln, im Bundesliga-Abstiegskampf hatte dies vor langer Zeit gar die Gründung eines eigenen Berufszweigs zur Folge, "Feuerwehrmänner" genannt. Hannover 96 hat kürzlich zu diesem etwas antiquierten und ein wenig verpönten Mittel gegriffen und Thomas Doll verpflichtet - einen Trainer, der zuvor eher nicht mit Konzepten, dafür mit Sprüchen in Talkshows aufgefallen war. Fußball-Feuerwehrmänner, so die inoffizielle Berufsbeschreibung, brauchen kein auf Langfristigkeit ausgelegtes taktisches Konzept; sie drehen eher die Kabine einmal auf links, stellen den zuvor ausgebooteten Mittelstürmer wieder auf, üben Torschüsse, gehen mit allen einmal bowlen. Dann lassen sie sich auf der Nichtabstiegsfeier mit Bier übergießen und demnächst wieder rausschmeißen (oder so ähnlich).

Was aber nun in Nürnberg und Stuttgart passiert ist - beim VfB trennte man sich ja vorerst nur von Sportvorstand Michael Reschke -, zeigt bislang weitestgehend unerforschte Handlungsmöglichkeiten auf. Ein sogenannter Impuls in der Mannschaft ist von einem Wechsel auf der Vorstandsebene ja eher nicht zu erwarten. In beiden Fällen waren eher die unterschiedlichen Auffassungen des Managers zur Zukunft des Trainers ausschlaggebend. Zum Königsweg taugen die Lösungen also nicht. Der sieht, der Vollständigkeit halber, ungefähr so aus: in Ruhe ein Konzept erarbeiten, dazu auch im "Sturm der Entrüstung" (Grethlein) stehen, es bestenfalls nicht nur in der Profimannschaft, sondern auch in den Nachwuchsteams anwenden lassen, von kompetenten Trainern. Dann muss man im Zweifel auch gar nicht lange nach einem Feuerwehrmann suchen.

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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