Kommentar:Überdrehtes System

Wie viele Erfolgsgeschichten, so befindet sich auch der Wintersport in einer Phase, in der er sich in vielerlei Hinsicht selbst beschädigt.

Von Volker Kreisl

Zu den Hauptfiguren des Wintersports zählen längst nicht nur Männer und Frauen in Rennanzügen, sondern auch jene Kollegen, die verletzte Beine, Ellbogen oder Schultern von Sportlern am Hang stabilisieren. Oder jene, die später alles zusammenflicken, meistens Bänder im Knie.

Teamärzte helfen dann auch über viele Monate dabei, alles wieder funktionsfähig zu machen. Wie viele Erfolgsgeschichten, so befindet sich auch der Wintersport längst in einer Phase, in der er überdreht und sich in vielerlei Hinsicht selber beschädigt. Der bedingungslose Kampf um Medaillen hat seit den Anfängen Doping provoziert, die Fälle sind zahlreich, mittlerweile fast immer systembedingt und über etliche Nationen verteilt, wie zuletzt die Razzia bei der Ski-Nordisch-WM in Seefeld zeigte. Auch kämpft der Freiluftsport um seine Existenzgrundlage, den Schnee. Diesem Problem ist langfristig weder mit Schneekanonen beizukommen noch mit dem Hinweis darauf, dass der Schnee, der gerade wieder auf sich warten lässt, doch nur mal Pause macht, weil: Im vorigen Januar waren es ja noch Rekordmengen. Tatsächlich wird es immer wärmer, und die Winter-Manager müssen sich, um ihre klimabewusstere junge Klientel nicht zu verprellen, ganz neue Strategien einfallen lassen, wie kürzere Pisten und womöglich auch weniger Weltcup-Reisen.

Theoretisch schneller lösbar wäre das wachsende Verletzungsproblem in den Speed- und Sprungdisziplinen, das zahlreiche Deutsche und viele andere betrifft. Voraussetzung wäre jedoch neben noch gezielterem Training stabiler Muskeln rund ums Knie eine geduldigere Wettkampfführung. Zu riskant, geradezu gefährlich verlaufen viele Rennen auf Eis, bei Wind und Nebel, aber im festen Zeitfenster des Fernsehens. Im Skispringen scheiterten simple Verbesserungen bei der Anlaufverkürzung zuletzt an der Mehrheitsfindung im Weltverband.

Bis die Ursachen für die Verletzungsserien abgeschwächt sind, wird es also Jahre dauern. Die Sportler selber haben gelernt, sich immer auf den nächsten Anlauf, die nächste Piste zu konzentrieren, in dem festen Glauben, das schon alles gut gehen wird. Auch in diesem Winter.

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