Kommentar:Taufatofua ist wieder da

Eddie "The Eagle" Edwards mahnt an, Olympia bräuchte wieder mehr Typen wie ihn. Der Engländer hat sich wohl nicht genau umgeguckt, wer in Pyeongchang an den Start gehen wird: so viele Exoten wie noch nie.

Von Philipp Schneider

Nichts gegen Eddie the Eagle, aber offenbar blickt er aus seiner Vogelperspektive nicht mehr mit so viel Übersicht auf die Welt wie früher. Gut, im Grundsatz hat der flugunfähige Skispringer, der bei den Winterspielen 1988 in Calgary erst von der Normalschanze plumpste, dann von der Großschanze, natürlich recht. Olympia sei vom Weg abgekommen, glaubt der Mann mit dem bürgerlichem Namen Michael Edwards. "Die olympische Idee braucht wieder mehr Eddie the Eagles", sagt Eddie the Eagle. Was er vermisst? Nicht etwa Athleten mit Brillengläsern, die so dick sind wie Toilettenbrillen. Eddie the Eagle meint Olympia-Teilnehmer, die in den Disziplinen, in denen sie mitmachen, Letzter werden und sich trotzdem immer wieder mit riesiger Vorfreude ins Starthäuschen begeben.

Das Gebrauchswörterbuch für Olympia führt für Leute wie Eddie the Eagle den Begriff des "Exoten". Nichts ist weniger exotisch als ein Brite, der im sportlichen Wettkampf unterliegt, könnte man meinen. Orientiert man sich aber an der Definition, die der Duden bereithält, so gibt es in Pyeongchang eine ganze Busladung neuer Eddie the Eagles. "Einen gewissen Zauber ausstrahlend", heißt es da.

Taufatofua aus Tonga beherrscht Taekwondo und Langlauf

Pita Taufatofua ist zum Beispiel wieder dabei. Der 100-Kilo-Athlet aus Tonga war schon bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro. Den Zuschauern der Eröffnungsfeier blieb er in Erinnerung als gleißender Lichtfleck, weil sein zauberhaftes mit Öl eingeriebenes Sixpack im Scheinwerferlicht erstrahlte wie eine Supernova. In Rio machte Taufatofua Taekwondo, in Pyeongchang betreibt er Langlauf.

Oder, hier: Akwasi Frimpong. Klingt so, als habe er in Rio nur knapp die Qualifikation für den Tischtennis-Wettbewerb verpasst, in der Tat wollte er ja schon 2012 bei den Sommerspielen in London an den Start gehen. Allerdings als Sprinter. 2014 in Sotschi war er immerhin schon mal Reservist im Bobteam seiner Wahlheimat Niederlande. Nun startet er als Skeleton-Pilot für sein Geburtsland Ghana. Seine Olympia-Reise soll sich der zauberhaft vielseitige Frimpong als Staubsaugervertreter verdient haben. Jetzt will er als erster Afrikaner eine Medaille bei Winterspielen gewinnen.

Mit weniger würde sich Klaus Jungbluth Rodriguez begnügen, der erste Ecuadorianer bei Winterspielen. Erst war er Gewichtheber, dann warf ihn eine Knieverletzung zurück. Als Student in Norwegen entdeckte er den Langlauf. Und weil ihn eine zauberhafte Hartnäckigkeit auszeichnet, überzeugte er das Olympische Komitee Ecuadors von der Notwendigkeit, einen Wintersportverband zu gründen. "Auf Schnee ist vieles anders", hat er erkannt. Diese Erfahrung machte schon Eddie the Eagle. Schön zu sehen, dass von seiner Art noch mehr da draußen sind als jemals zuvor. Man muss sie nur finden.

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