Kommentar:Süßes vom Zuckerdaddy

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Könnte eine teure Scheidung werden: Lars Windhorst und Hertha BSC. (Foto: Matthias Koch/Imago)

Hertha BSC organisiert sich sehr, sehr viel Geld, Leipzig baut mal eben 100 Millionen Euro Schulden ab: Um jeden Winkelzug in der Liga zu begreifen, ist eine Kompaktausbildung in BWL empfohlen.

Von Klaus Hoeltzenbein

Nur noch vier Spieltage, dann ist es geschafft. Fünf der neun Geisterspielrunden sind absolviert, und wenn es läuft, wie es immer läuft, ist der FC Bayern vielleicht schon nächstes Wochenende deutscher Meister. Oder halt ein paar Tage später, aber die erste Entscheidung der Saison wäre im Ziel. Langsam lugt nun auch die alte Bundesliga wieder unter der Maske hervor und erhebt sich aus ihrer Demutshaltung, in der der Notfallbetrieb vor vier Wochen angefahren wurde. Zwar erholt sich die Aktie von Borussia Dortmund (am Freitag 6,60 Euro) vergleichsweise träge vom Corona-Crash. Doch jetzt, da nur sehr wenige den globalen Anachronismus - Staatshilfen, Kurzarbeit, Insolvenzen, und trotzdem: Börsen auf Rekordkurs! - zu erklären vermögen, kehrt auch die Liga offensiver in ihr Geldgeschäft zurück. Noch ohne Stadionfans, die werden erst zur kommenden Saison im September in Kleingruppen zurück erwartet. Aber auch wenn die Eintritt zahlende Kulisse gerade schwer vermisst wird, so spielt sie, was die Finanzkraft angeht, längst die Nebenrolle.

Mit "einem Wumms" (Originalton Finanzminister Scholz) geht die Regierung jetzt die Krise an. Mit Wumms und einem eigenen Konjunkturpaket will die Hertha aus Berlin mitziehen. Arm, aber sexy? Mitnichten, der Investor Lars Windhorst sieht offenbar etwas Besonderes in der Dame, vorige Woche bestätigte er, noch einmal 150 Millionen Euro in ihr Lifting stecken zu wollen. Womit die Windhorst-Holding "Tennor" ihre Anteile an jenem Konstrukt namens Hertha BSC GmbH & Co. KGaA, das vom Berliner Stammverein ausgelagert ist, von 49,9 auf 60,0 Prozent erhöhen würde. Wie sich mit der Hertha im zugigen Olympiastadion eine adäquate Rendite erzielen lassen könnte, das ahnt bei diesem Modell nicht jeder.

Überhaupt sei schon heute wieder eine Kompaktausbildung in Betriebswirtschaft empfohlen, um jeden Winkelzug in der Liga zu begreifen. In Leipzig stieß die Mitteldeutsche Zeitung auf ein Phänomen, denn was in Europa vielerorts bevorsteht, hat die dortige Bundesliga-Filiale mit Hilfe ihres Salzburger Mutterkonzerns Red Bull still und leise vollzogen: einen Schuldenschnitt. Ausweislich des jüngst veröffentlichten Jahresabschlusses für die Saison 2018/19 wurden RB Leipzig vom Stammhaus 100 von 186 Millionen Verbindlichkeiten erlassen, buchhalterisch wurde Fremd- in Eigenkapital verwandelt. Ein komplexer Schachzug, von dem sie in Leipzig glauben, er sei rechtskonform und kollidiere auch nicht mit den neuerdings von der Europäischen Fußball-Union Uefa energischer als bislang angemahnten Regularien des Financial Fairplay. Hier agiert ja nicht nur der Bundesliga-Dritte, sondern ein Klub, der fürs Champions-League-Viertelfinale schon qualifiziert ist. Da RB Leipzig nun seinen Handlungsspielraum auf dem Markt erweitert hat, und dies erst auf Nachfrage öffentlich wurde, wird wohl noch der ein oder andere Rivale aus der Liga eine Präzisierung anmahnen.

Peter Peters wird dies in seiner alten Rolle als Finanzvorstand von Schalke 04 nicht mehr sein. Die Nachricht von dessen Demission nach 27 Jahren kam Freitagabend, zu einer Zeit also, zu der gehofft wird, dass die Resultate vom Samstag die Botschaft schnell überlagern. Zur Erinnerung: Gerade wegen Schalke wird Bundesliga gespielt, es hieß, Schalke sei wohl pleite, würde die letzte Rate der Fernsehgelder nicht mehr fließen. Schalke ächzt, wird aber überleben. Hoch dreistellig bleibt jedoch der Schuldenstand, und noch wurde dort kein Zuckerdaddy wie Windhorst und kein Brausekonzern wie Red Bull vorstellig, der Millionen mal eben herbei- oder wegzaubern kann.

© SZ vom 08.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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