Kommentar:Stunde Null

Mit der Stasi-Aufarbeitung im Sport verhält es sich so, wie es die Affäre Franken-, hoppla Springstein in der Paralleldisziplin Doping zeigt: Der Sport ist in der Stunde Null. Nur dass bezüglich der Stasi-Problematik Land in Sicht ist - Ende 2006 läuft die Regelüberprüfung im öffentlichen Dienst aus, der Sport kann also versuchen, sich mit der letzten Hechtrolle ins Ziel zu retten.

Thomas Kistner

Einerseits erstaunt ja, dass die seit elf Jahren brütende Laurien-Kommission unter ihrer 77-Jährigen Chefin so spät noch einen Coup landete und Ingo Steuer aus dem Verkehr zog. Entlarvend andererseits, dass die Akte von Steuers Nachfolgerin noch dicker ist, und die Panne branchenüblich behoben werden sollte, mit Ausflüchten und Flunkerei. Es fragt sich, wo aufgeräumt worden ist über die vergangenen 15 Jahre in der vereinigten Sportskameradschaft.

NOK und DSB, die sich in schwer kränkelnder Verfassung in eine Fusion retten wollen, hat das Thema nie interessiert. Es hätte der Erfolgsphilosophie im Vereinigungsland frontal gegenüber gestanden: Was, wenn das DDR-Staatsdoping gründlich aufgerollt worden wäre?

Es war flächendeckend, wenige wären da übrig geblieben. In Stasi-Fällen war es ähnlich. Das Führungspersonal unter Athleten und Funktionären wurde stark selektiert, Individualisten waren generell unerwünscht, Querdenker wurden gezielt stillgelegt.

Die Opferakten sind voller Beispiele. Da hätte leicht und umfassend aufgearbeitet werden können - so umfassend, wie es nun der Leichtathletikverband plant, der nahezu alle Rekorde wegen Dopings löschen will.

Im Sport, wo Medaillenfetischismus regiert, wurden zwei Systeme zusammengeworfen, ein paar Bauernopfer gebracht und Gas gegeben. Personen, die Erfolgsgaranten sind, genossen und genießen einen mitfühlenden Täterschutz, der nicht nur Sport-typisch ist.

Überhaupt, was bringt uns der Blick zurück, wenn er nationale Medaillenziele gefährdet? Die Politik pumpte blindlings Steuergelder in einen von der Vergangenheit unterwanderten Spitzensport, für dessen Funktionärskamarilla ein bigotter Seufzer steht, den der DSV-Generalsekretär Pfüller gern tut, dem in Stasi-Akten große Nähe zur DDR-Dopingpraxis attestiert wird: Ja, das war schon schlimm, damals.

Damals?

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