Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Stumme Mehrheit als Phantom

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Die Opposition ist krachend gescheitert. Nun muss die Frage erlaubt sein, ob es die viel beschworene schweigende Mehrheit überhaupt gibt.

Vor der Mitgliederversammlung des TSV 1860 wurde gebetsmühlenartig die Einigkeit beschworen, die endlich einziehen möge im Giesinger Traditionsverein. Interessanterweise aber nur von der Opposition. Die Vertreter und Befürworter der amtierenden e.V.-Seite, also die Fanorganisation Pro1860, die "Freunde des Sechzgerstadions", die Ultras und die am Sonntag mit großer Mehrheit wiedergewählten Verwaltungsräte, mussten ja auch keine Einigkeit beschwören - sie sind sich ja längst einig: Ausrichtung auf sportlichen Erfolg ja, aber nur unter Bewahrung der Hoheit des e.V. über die Profifußball-KGaA und am Standort Grünwalder Stadion in 81547 München-Giesing. Welchen Charme dieser Ansatz hat, hat die vergangene Saison ja auch eindrucksvoll gezeigt.

Die Opposition, das so genannte "Team Profifußball", wünscht sich hingegen nicht nur eine engere Zusammenarbeit mit Investor Hasan Ismaik, sondern auch ein Stadion mit einer Kapazität von mindestens 30 000 Zuschauern und ausreichenden Parkmöglichkeiten für Busse. Diese Träume der "schweigenden Mehrheit", wie es ihr Organisator Klaus Ruhdorfer nannte, hat sie auf ihren Wahlkampfreisen quer durch Bayern nach eigenen Angaben von vielen Anhängern vorgeträumt bekommen. Doch die Opposition ist bei der Wahl am Sonntag krachend gescheitert. Die schweigende Mehrheit erschien mal wieder nicht, so dass die Frage erlaubt sein muss, ob es sie überhaupt gibt oder ob sie nur ein Phantom ist.

Wie auch immer die Zahlenverhältnisse sein mögen: Fan-Einigkeit bei Sechzig könnte es höchstens mit einer einzigen Lösung geben - einem zweitligatauglichen, angemessenen Grünwalder Stadion an gewohnter Stelle, wie es dem FC St. Pauli am Millerntor gelang. Das allerdings dürfte eine Utopie sein. Was soll's, werden manche sagen: Bei Sechzig sind sie sich schließlich nicht einmal darüber einig, ob sie sich einig sein müssen.

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Quelle:
SZ vom 23.07.2018
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