Kommentar:Stöpseln wird olympisch

Nord- und Südkorea nutzen die Olympia-Bühne, um Signale zu senden und Stimmungen auszuloten. Warum auch nicht? Für das IOC geht es dabei eher darum, auf billige Tour positive Imagewerte abzugreifen.

Von Thomas Kistner

Hurra, endlich vereint: Nord- und Südkorea! Gemeinsame Olympia-Teams in Pyeongchang 2018 und Tokio 2020, und nun also: gemeinsame Sommerspiele 2032 für den Weltfrieden! Wettbewerbe in Seoul und Pjöngjang, nein, kein Witz: Ende der Woche soll die Bewerbung offiziell eingereicht werden. Kein Weg führt mehr vorbei am Friedensnobelpreis für das Internationale Olympische Komitee! Du lieber Himmel.

Es ist so durchschaubar, das Treiben des IOC. Der Lack ist ab, der Rost schimmert durch, dahin ist die Glaubwürdigkeit der Spiele-Makler. Viele westliche Metropolen wollen die Spiele nicht mehr beherbergen - nicht, weil die Bürger Olympia nicht mehr mögen, sondern wegen der Figuren, mit denen sie das Geschäft besiegeln müssten. Der Abwärtstrend hat sich in der Ära des seit 2013 amtierenden Wirtschaftsanwalts Thomas Bach beschleunigt. Viele von Bachs engsten Funktionärs-Freunden kennen Gefängnisse bereits von innen oder firmieren prominent in den Akten internationaler Strafermittler. Verglichen damit wirkt Bachs Kotau vor dem russischen Staatsdoping wie ein Kavaliersdelikt. Was die Spiele heute wert sind, beantwortet das russische Betrugsfestival in Sotschi 2014: Wer noch an den olympischen Geist glauben mag, soll damit selig werden.

Es braucht also einen Imageschub, eine Werte-Welle, ach was: einen Neuanstrich mit Leuchtfarbe. Was Großes halt. Und wenn das IOC dafür seine Grundregel bricht: "Don't mix sports and politics!" Sport und Politik dürfen nie vermischt werden - was soll's? Das passiert sowieso permanent. Eben deshalb wurden Putins Systemdoper ja nicht umfassend bestraft. Aus politischen Gründen.

Der Korea-Coup drängt sich also auf. Politisch wird das keinen der Big Player beeindrucken, die um die Zukunft der Halbinsel ringen, von Japan über China, von Russland bis zu den USA. Es lässt sich aber nach außen, über die Märchenkanäle der Sportindustrie, gut als olympischer Traum verkaufen: Weltfrieden im Zeichen der Ringe! Längst wird fleißig gebastelt. In Pyeongchang fielen südkoreanische Eishockey-Damen der Friedenschoreografie der Ringemakler zum Opfer: Plötzlich rutschten drittklassige Kolleginnen aus dem Norden ins Aufgebot.

Es müssen halt viele ihren Beitrag leisten für die Nobelpreis-Kampagne des Sports. Oder ist etwa kein derartiger Hintersinn im Spiel, wenn der Olymp nun Nord- mit Südkorea zusammenstöpselt? Ist es nur Zufall, dass sich seit Dekaden die Patrone des IOC wie auch der Fifa am Nobelpreis abarbeiten, gern mithilfe diskret agitierender PR-Firmen?

Beide Koreas nutzen jetzt die Bühne: um Signale zu senden und Stimmungen auszuloten. Warum auch nicht? Doch das IOC nutzt das, um auf billige Tour positive Imagewerte abzugreifen; dasselbe IOC, das die Athleten der Welt nicht vor Russlands Staatsdopern schützen wollte und das sich in anderen heiklen Fällen stets in angebliche Neutralität flüchtet. Um nie Stellung beziehen zu müssen.

Olympia ist kein Friedensbringer. Es ist nur das Geschäftsvehikel des Internationalen Opportunistischen Komitees.

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