Kommentar:Starthilfe fürs Großprojekt

Die EM in Düsseldorf ist gelungen für den lange gebeutelten deutschen Verband - und stellt doch nur einen Anfang dar.

Von Volker Kreisl

Vilmos Szabo, der Bundestrainer, war entzückt. Eine Fecht-EM im eigenen Land, mit vier Medaillen für den so lange gebeutelten Verband, darunter zum großen Finish Gold für seine Säbler - und dann noch ungefähr tausend Zuschauer! Mehr kann ein kleiner Spezialsparten-Verband nicht verlangen.

Doch es geht für den Deutschen Fechter-Bund schon länger um viel mehr. Seit Jahren kämpfen dessen Strategen darum, ihr verlorenes Erfolgsimage zurückzugewinnen, jenes aus den Hochphasen, zum Beispiel des Fecht-Zentrums Tauberbischofsheim, das sich einst "Medaillenschmiede" nannte. Doch schon damals galt für Sportarten wie das Fechten die Regel, dass Erfolge, sogar auf größeren Meisterschaften, bald in Vergessenheit geraten; dass ein Boom mit ein paar mehr Sponsoren, Zuschauern und Nachwuchsfechtern nur dann eintritt, wenn man Olympia-Legenden schreibt. Solche, wie sie die Degensieger um Elmar Borrmann und Alexander Pusch Mitte der 1980er darstellten, die Florettfrauen ein paar Jahre später, oder zuletzt Britta Heidemann, Degen-Olympiasiegerin 2008.

Die Entwicklung in diesen deutschen Traditionswaffen ist derzeit aber schwer absehbar. In Düsseldorf haben einige Athleten Potenzial angedeutet wie die Degenfechterin Alexandra Ndolo oder auch der 20-jährige Florettfechter Luis Klein. Doch dieses gerade begonnene Wachstum benötigt noch Zeit, und da ist es praktisch, dass als Anschubhilfe die Säbler dienen, die seit Jahren Stimmung auf Turnieren machen und dem ganzen Verband den dringend nötigen Schwung für die kommenden Monate bringen.

Die Olympiaqualifikation dürfte für Szabos Mannschaft in dieser Form kein großes Problem sein, alle anderen deutschen Fechter stehen wie 2015/2016 vor einem langen und schweren Weg bis ins nächste Frühjahr. Priorität hat die Teilnahme der Teams, denn für Einzelkämpfer ohne Rückhalt steigt der Druck bei Olympia und es sinken die Chancen. Doch die Hürden für die Zulassung in Tokio sind im Fechten hoch. Qualifiziert sind am Ende nur acht Mannschaften. Erstens jene, die Anfang April 2020 in der Weltrangliste zu den besten Vier zählen, zweitens dahinter das jeweils nächstbeste Team der vier Kontinent-Zonen.

Mit allen sechs Mannschaften wollen die DFeB-Fechter in Tokio dabei sein, um die Grundlage dafür zu schaffen, dass ihr Sport wieder von mehr als ein paar Zuschauern und Journalisten besucht wird. Die EM in Düsseldorf ist gelungen - und stellt doch nur die Starthilfe dar für das eigentliche Großprojekt.

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