Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Sportler und die Politik: Meistens überfordert

Trump zetert gegen Sportler, Erdogan bittet deutsche Nationalspieler zum Foto - und Argentiniens Nationalelf gerät in den Nahostkonflikt. Zwischen Sport und Politik tun sich immer mehr Minenfelder auf.

Von Josef Kelnberger

Folgende Nachricht sollte man den deutschen Fußball-Nationalspielern Ilkay Gündogan und Mesut Özil dringend übermitteln: Egal, wer die US-Basketball-Meisterschaft gewinnt, ob die Cleveland Cavaliers oder die Golden State Warriors - sie wollen eine Einladung von Präsident Donald Trump ins Weiße Haus auf gar keinen Fall annehmen. Das haben die Anführer beider Finalisten, LeBron James und Stephen Curry, wissen lassen. Also doch: Man kann Einladungen von Staatschefs ausschlagen. Und logisch, es ist ein politisches Statement, wenn ein Sportstar einen Politiker trifft - oder eben nicht trifft. Sehr seltsam, dass Gündogan und Özil das nicht bedachten, als sie mit dem autokratischen türkischen Präsidenten Erdoğan für ein Foto posierten.

Immer schon hat die Politik versucht, den Sport für ihre Zwecke zu nutzen, und nur selten hat der Sport sich widersetzt. Die US-Profis geben ein beachtliches Beispiel, nicht nur im Basketball, sondern auch im Football, einer uramerikanischen Sportart. Der aktuelle Champion, die Philadelphia Eagles, tragen einen Dauerstreit mit Trump aus, seit ein Spieler sich weigerte, der Nationalhymne die Ehre zu erweisen, was in anderen Teams Nachahmer fand. Der Präsident geißelte die Profis als unamerikanisch und unpatriotisch; die Profis wiederum halten den Präsidenten für einen Spalter, der auf nicht weiße Minderheiten losgeht. Nur eine Handvoll der Eagles-Spieler wollte diese Woche einer Einladung Trumps ins Weiße Haus folgen - der war so unsouverän, daraufhin die ganze Mannschaft auszuladen. Der Sieg in dem Duell geht eindeutig an die Sportler.

Es tut sich ein wahres Minenfeld auf zwischen Sport und Politik, und in vielen Fällen sind Sportler schlicht überfordert, einen eigenen Weg zu finden. Welche Haltung, zum Beispiel, sollte man von Argentiniens Kickern erwarten, die nun mitten hinein in den Nahost-Konflikt katapultiert wurden? Aus augenscheinlich politischen Motiven verlegte Israel ein Testspiel gegen Argentinien von Haifa nach Jerusalem, wogegen die Palästinenser heftig protestierten, sogar mit blutgetränkten Messi-Trikots. Der argentinische Verband sagte das Spiel nun ab, und die Palästinenser feiern einen angeblichen Sieg über Israels Ministerpräsident Netanjahu. Aber letztlich gibt es in diesem schmutzigen Spiel nur Verlierer.

Russlands Präsident Putin hat nun erklärt, bei der nächste Woche beginnenden Fußball-WM in seinem Land gehe es nur um Sport, um sonst nichts. Ein Witz, natürlich geht es auch um Staatspropaganda. Niemand erwartet nun von Gündogan, Özil und Kollegen knallige politische Statements. Aber dass sie in einem autokratisch geführten Land spielen - das sollte ihnen in groben Zügen doch bewusst sein.

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Quelle:
SZ vom 07.06.2018
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