Kommentar:Spielplatz für schöne Tage

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VW steigt abrupt aus der Rallye-WM aus. Als Begründung heißt es, der Konzern wolle sich stärker auf die Elektromobilität konzentrieren. Die Vollbremsung zeigt, wie die Autokonzerne generell zum Motorsport stehen.

Von René Hofmann

Die Nachricht kam durchaus überraschend. Das Auto, das Volkswagen 2017 in der Rallye-WM einsetzen wollte, existiert bereits. Es wurde schon getestet. Und von diesen Übungsfahrten gibt es packende Filmchen, mit denen die Interessierten darauf eingestimmt werden sollten, was der Konzern auch im kommenden Jahr vorhatte: den Fahrer- und den Markentitel zu verteidigen, zum vierten Mal nacheinander. Sogar der Termin und der Ort für die Präsentation des Autos standen bereits fest: Am 7. Dezember sollte es in Berlin enthüllt werden.

Aus all dem wird nun aber nichts. An diesem Mittwoch bestätigte die Autofirma, was mehrere Fachmedien bereits am Tag zuvor gemeldet hatten: VW beteiligt sich künftig nicht mehr an den Wettfahrten auf mehr oder weniger befestigten Straßen. Die Australien-Rallye vom 18. bis zum 20. November, die letzte WM-Veranstaltung in diesem Jahr, wird zur Abschiedsvorstellung.

Wenn eine Firma eine derart abrupte Vollbremsung hinlegt, dann muss es dafür drängende Gründe geben. Die Gründe, die Entwicklungsvorstand Frank Welsch bei seiner Rede vor der Motorsport-Abteilung hielt, klingen nur bedingt so. Welsch erklärte, die Marke habe ihre Ziele in der Rallye-WM "weit übertroffen" und behauptete: "Mit dem anstehenden Ausbau der Elektrifizierung unserer Fahrzeugpalette müssen wir all unsere Anstrengungen auf wichtige Zukunftstechnologien konzentrieren." Der Wahrheit am nächsten kam noch der Satz: "Die Marke VW steht vor gewaltigen Herausforderungen."

Im Grunde ist es vermutlich nämlich sehr simpel: Wegen der aufgeflogenen Manipulationen um die Abgaswerte, der Aufregung darüber und der juristischen Auseinandersetzungen darum, muss der Konzern sparen. Und bei diesem Programm hat auch der Sport seinen Beitrag zu leisten. Vor gar nicht allzu langer Zeit hat Konzerntochter Audi ihren Abschied vom Langstreckenrennsport verkündet - und damit auch vom 24-Stunden-Rennen in Le Mans, das die Marke seit der Jahrtausendwende 13 Mal gewonnen hatte. In all den Jahren war stets die Rede davon gewesen, dass der Klassiker die perfekte Bühne sei, um den Firmenslogan vom Vorsprung, der angeblich in der Technik liegt, zu demonstrieren. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Jetzt heißt es vom Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler: "Das Rennen um die Zukunft tragen wir elektrisch aus."

All das belegt im Kern nur eines: Für die Autofirmen ist der Motorsport ein Spielplatz, auf dem sich an schönen Tagen nicht wenige Ingenieure ordentlich austoben dürfen. Ziehen dunkle Wolken auf, kann es ganz schnell vorbei sein mit dem Spaß. Der Sport ist keineswegs zwingend, um das Geschäft am laufen zu halten. Er ist lediglich ein Dessert, das ein Menü rundet. Und das sich jederzeit leicht abbestellen lässt.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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