Kommentar:Spielfeld der Mäzene

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Das Sterben der Top-Klubs in Hamburg hat nichts mit der Ablehnung von Olympia zu tun. Es liegt an der fehlenden Verankerung von Spitzensport in der Gesellschaft der Stadt. Sportkultur kann man sich eben doch nicht einkaufen.

Von Thomas Hahn

Dieser Tage gehen im Hamburger Sport so viele Lichter aus, dass gehobene Hanseaten sich an der Ehre gepackt fühlen. Wie ein Blitzschlag ereilte sie am Mittwoch die Nachricht, dass der US-Eigner AEG den Eishockey-Klub Freezers einstellt. Die Meldung von diesem plötzlichen Teamtod passte zum Trend, nachdem schon den Handballern des HSV Hamburg sowie den Volleyballerinnen des VT Aurubis die Luft ausgegangen war und das Radrennen Cyclassics von Zukunftsangst berichtet hatte. Und natürlich wussten manche Hamburg-Lobbyisten, wer zumindest eine Teilschuld an der Misere trägt: jene widerspenstigen Geister, die im November beim Volksentscheid Hamburgs Olympia-Bewerbung abwählten.

Was für ein Missverständnis.

Einfache Antworten gibt es nicht bei einer solchen Inflation der Mannschafts-Aufgaben. Und es mag schon sein, dass sich ein Radrennen leichter vermarktet, wenn es auf einer Olympia-Strecke stattfindet. Aber gerade das Freezers-Aus hat mit dem Olympia-Nein so viel zu tun wie der Fischmarkt mit einem Alphornkonzert. Die AEG-Marketender lassen sich von Umsätzen beeindrucken, nicht von lokalen Ambitionen, und bei einem stattlichen Zuschauerschnitt von knapp 10 000 kann man nicht sagen, die Freezers hätten eine Hamburger Sommer-Olympia-Begeisterung gebraucht.

Nein, das Hamburger Problem liegt woanders: Der Spitzensport hier ist zu abhängig von Mäzenen und externen Investoren. Er ist nicht aus den Kräften des Standortes heraus gewachsen, sondern auf Privatinitiative dort hineingepflanzt worden. Die Freezers kamen 2003 als Nachfolge-Firma der Munich Barons. Der HSV Hamburg begann 1999 in Lübeck mit der Bundesliga-Lizenz des VfL Bad Schwartau und lebte lange vom Mäzen Andreas Rudolph. Selbst die Olympia-Bewerbung für 2024 war im Grunde ein Start-up. Sie war ein Wunsch der Handelskammer. Ein kluges Nachhaltigkeitskonzept entstand durch die Initiative, um dem Spitzensport einen Stellenwert zu geben, den er vorher nicht hatte. Aber letztlich war das Projekt unbescheiden: Als kaum bekannter Sportstandort ohne Leichtathletikstadion wollte Hamburg plötzlich eine Olympia-Stadt sein.

Man kann sich eine bleibende Sportkultur nicht einkaufen oder herbeiorganisieren. Sie muss aus der Geschichte des Ortes heraus entstehen. Sie braucht ein Management, das die Unwägbarkeiten des Sports versteht und sie in eine nachhaltige Vermarktungsstrategie einbindet. Hamburg muss nicht um die Freezers oder die Olympia-Bewerbung trauern. Es war immer klar, dass diese Unternehmungen künstliche Farbtupfer auf Zeit sein würden. Wichtiger für die Hansestadt ist es, den Bestand für die Zukunft zu sichern. Die Ruder-Tradition. Die Hockey-Tradition. Die Tennis-Tradition. Und auch den Fußball-Dinosaurier Hamburger SV, der dem Standort im Grunde schon entglitten ist. Wenn die Mäzene dieser kranken Hamburger Institution irgendwann nicht mehr zahlen, dann bricht wirklich etwas Großes zusammen.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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