Kommentar:Seehofers Geldsegen

Lesezeit: 2 min

Der Innenminister hat angekündigt, dass der Sport einen Betrag von mindestens 60 Millionen Euro mehr bekommen soll - und so mehr Handlungsfreiheit.

Von Claudio Catuogno

Das schöne deutsche Wort "Mittelaufwuchs" sorgt gerade für gute Laune im Sport. Mittel ... was? Nein, diesmal geht es nicht um verbotene Mittelchen. Sondern um Bundesmittel. Sport kostet Geld: Trainer müssen bezahlt werden, Sportler von etwas leben, Reisen zu Wettkämpfen sind teuer, und ohne Sportstätten und Stützpunkte geht auch nichts. Weil das so ist, sitzen die Haushaltsexperten in Berlin gerade über der Frage, wie viel sie sich den Spitzensport in Zukunft kosten lassen wollen. In drei Wochen soll eine Zahl vorliegen. Klar ist schon: Es gibt mehr Geld. Viel mehr.

Erst im Sommer war der Sportetat des Bundes um 24 Millionen Euro gestiegen, auf 200 Millionen pro Jahr. Der Deutsche Olympische Sportbund und DOSB-Präsident Alfons Hörmann haben aber mitgeteilt: Sie bräuchten 114 Millionen mehr! Bis vor kurzem hätte so eine Zahl in Berlin bloß Spott ausgelöst. Doch Horst Seehofer, der für den Sport zuständige Innenminister, hat nun angekündigt, dass sich sein Geldsegen "schon in der Nähe von dem bewegen" sollte, "was der DOSB fordert". 60 bis 80 Millionen zusätzlich sind offenbar realistisch.

Die Bande zwischen den Bayern Seehofer und Hörmann sind eng. Das hilft offenkundig beim Mittelaufwuchs. Und es führt auch dazu, dass der Sport wieder mehr Handlungsfreiheit bekommt. Unter Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière hatten Politik und DOSB vereinbart, das Geld an Verbände und Disziplinen nach klaren Kriterien zu verteilen: Potenzialanalysen, Medaillenprognosen, dazu eine verschlankte Kader- und Stützpunktstruktur, das ist der Kern ihrer Leistungssportreform. Seehofer hingegen ist es eher wurscht, ob der Sport die Zahl seiner Bundesstützpunkte nun auf 174 oder bloß auf 194 reduziert. Muss der Sport selbst wissen, findet er. Und zahlt.

Dass es gute Gründe gibt, dem organisierten Sport auf die Finger zu schauen, ist bekannt. Seehofers Laisser-faire ist deshalb einerseits fahrlässig. Paradoxerweise hätte es aber auch sein Gutes, wenn die Kriterien nicht mehr gar so streng ausgelegt würden. Denn sie waren von Beginn an fragwürdig. Wer Medaillen liefert, kriegt viel, wer nicht, kriegt wenig - das ist, vereinfacht, der Grundsatz des neuen Fördersystems. Nischendisziplinen wie Rodeln profitieren davon stark, Kernsportarten wie Schwimmen oder Tischtennis eher weniger. Die gesellschaftliche Bedeutung einer Disziplin? Ihre Verankerung in der Breite? Eher egal. Wie auch die Erkenntnis, dass man zumindest in machen Sportarten nicht gleichzeitig Medaillen einfordern und gegen Doping sein kann. Der DOSB hatte all dem nur zugestimmt, weil die Politik im Gegenzug mehr Geld versprach. Nun fließt das Geld auch so. Das klingt zwar inkonsequent - ist aber nicht nur schlecht.

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: