Kommentar:Sackhüpfen und Tauziehen

Barbara Klimke

Barbara Klimke schreibt oft über Tennisspiele, wettet aber höchstens beim Galopp.

Neue Sportarten wie Streetball kommen ins Programm der Olympischen Spiele in Tokio 2020. Manches ist aber nur Aktionismus.

Von Barbara Klimke

LeBron James findet die Idee prächtig, zumindest in der Theorie. Zwar ist das Spiel auf nur einen Korb, drei Mann gegen drei Mann, nicht seine Sache, räumte der Basketball-Millionär des NBA-Teams Cleveland Cavaliers ein. Aber wenn er ein Spieler-Trio für die neue Olympiadisziplin benennen müsste, sagte er, dann würde er nicht lange fahnden. Sein Dream Team besteht, in aller Bescheidenheit, aus: Michael Jordan, Magic Johnson und ihm selbst.

Einen besseren Fürsprecher für die Erweiterung des Programms der nächsten Sommerspiele 2020 hätte das Internationale Olympische Komitee (IOC) kaum finden können: LeBron James, 32, der wohl beste Basketballer weltweit, hat selbst zweimal Olympiagold mit der US-Auswahl gewonnen, im klassischen Stil, Fünf gegen Fünf. Mit dem flammenden Plädoyer für die kleine, dem Streetball entlehnte Variante wertet er nun die Weltmeisterschaft im 3x3-Basketball auf, die an diesem Wochenende in Nantes beginnt. Sie gilt bereits als erster großer Feldversuch für Tokio 2020. Zwar ist bei aller Begeisterung noch nicht geklärt, wer in Japan unterm Korb dribbeln darf und nach welchen Modalitäten die Qualifikation verläuft. Fest steht allerdings, dass der Expansionsdrang des IOC noch immer ungebrochen ist: Schon nach Aufhebung der Amateurrichtlinien hat sich Olympia 1992 mit den Großverdienern der NBA geschmückt. Nun hat es sich auch die kleinen Streetballer einverleibt.

Gegen Änderungen des Programms bei Olympia ist grundsätzlich nicht das geringste einzuwenden. Die Geschichte der Sommer- und Winterspiele ist voller skurriler Leibesübungen, für die sich heute kaum noch jemand begeistern kann: Sackhüpfen war 1904 in St. Louis eine Trendportart, wenn auch vom IOC damals nicht offiziell anerkannt. Dafür wurden bis 1920 Medaillen fürs Tauziehen an starke Männer verliehen. Cricket, Croquet und Boule waren einmal olympisch, ebenso Feldhandball, Polo, Ballonfahren und Hochsprung aus dem Stand.

Manches ist verständlich, aber mehr Mixed-Wettbewerbe? Das wirkt aktionistisch

Das Programm der Spiele regelmäßig auf seine Sinnhaftigkeit zu überprüfen und den Anspruch der Universalität von Sportarten zu hinterfragen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Mitglieder des IOC, das ja im Besitz der Mammutveranstaltung und seiner Vermarktung ist. Nur selten aber wirft der feudale Zirkel der Coubertinschen Sachverwalter eine Sportart über Bord. Kaum jemals werden offene Debatten geführt, ob Moderner Fünfkampf, Ringen oder Synchronschwimmen noch zeitgemäß im olympischen Unterhaltungsprogramm sind - wofür es selbstverständlich hervorragende Argumente gibt. Niemals ist das IOC bisher über seinen Schatten gesprungen und hat dopingverseuchte Sportarten oder erwiesenermaßen manipulierende Länder komplett gebannt. Auch das hätte Freiräume geschaffen für eine grundlegende Reform.

Stattdessen wird mit Rücksicht auf die Interessen der Mitglieder im exklusiven Klub ein wenig Luft aus dem Programm gelassen, damit man es an anderer Stelle wieder aufblähen kann. Dass das IOC 2020 in Tokio neben 3x3-Basketball auch BMX-Freestyle, Karate, Klettern, Skateboard und Baseball/Softball sehen will, ist verständlich, wenn es ein jüngeres Publikum ansprechen und "urbanerer und weiblichere" Spiele will. Jede Menge neue Mixed-Wettbewerbe einzuführen, um beim Bogenschießen, Judo, Fechten, Schwimmen und Triathlon die Frauen-Quote nach oben zu treiben, darf man indes als Aktionismus ansehen. Jux und Tollerei hat es in der Olympischen Geschichte genug gegeben: Bevor es zum Mixed-Gewichtheben kommt, sollte man noch mal über Sackhüpfen nachdenken.

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