DOH:Ringkampf der Akademiker

Pressekonferenz der Doping-Opfer-Hilfe (DOH)

Michael Lehner (l), Vorsitzender der Doping-Opfer-Hilfe (DOH), und Werner Franke, Biologe und Anti-Doping-Experte.

(Foto: Christoph Soeder/dpa)

Der Anti-Doping-Kampf in Deutschland war immer auf private Initiativen wie die Doping-Opfer-Hilfe angewiesen. Umso fataler ist der Bruch, der sich nun durch den Verein zieht.

Kommentar von Johannes Knuth

Nach den Spielregeln des Ringens war die Sache klar: Punktsieg für Michael Lehner. Auch wenn der Unterlegene später reklamierte, dass er ja gar nicht richtig Ernst gemacht habe, als er den Widersacher kurz im Würgegriff hatte. "Wenn ich zugedrückt hätte, wär's schlimm geworden", sagte Werner Franke; er sei früher immerhin Offizier der schweren Pioniere gewesen.

Wie traurig nur, dass das, was sich am Donnerstag rund um einen Pressetermin des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins (DOH) in Berlin abspielte, kein neckischer Ringkampf war - sondern die Eskalation eines Konflikts, in dem Dopingopfer seit Längerem mit Dopingopfern zanken, Aufklärer mit Aufklärern. Nun waren zwei dieser sportpolitischen Schwergewichte aneinandergerasselt: Hier Werner Franke, Professor der Molekularbiologie, Gesicht der west- und ostdeutschen Dopingaufklärung, der seine Sicht beim DOH-Termin vortragen wollte. Dort Michael Lehner, Doktor des Rechts, der Franke einst vertrat, mittlerweile dem DOH vorsteht und den 79-Jährigen nun mit der Kälte eines Türstehers vom Hof drängte. Auch wenn er dafür sicher keinen Punktsieg geltend machen konnte oder wollte.

Der Streit hatte sich, grob gesagt, an der Frage entzündet, ab wann ein Dopingopfer des DDR-Sports eigentlich ein Dopingopfer ist, das der Bund finanziell entschädigen muss. Und wie so oft in derartigen Fragen gibt es darauf Antwort in vielen Geschmacksrichtungen. Da sind einstige Athleten, denen die blauen Kraftpillen des DDR-Sports im Kindesalter als Vitamine angedreht wurden; da sind die, die wussten, dass sie nachhalfen, aber erst viel später erfuhren, dass die Chemie auch Organe und Seelen zerfraß; da sind die, die sich selbst Tabletten besorgten, obwohl ihre Trainer sie vor Spätfolgen gewarnt hatten; da sind auch die, die nicht mitmachten und aus dem System verstoßen wurden. Nein zu sagen, das war möglich, aber es war mit Repressalien verbunden - ist da also nur der ein Opfer, der sich wehrte? Oder auch, wer in den Anabolikatopf griff, aber in einem Gestrüpp aus Abhängigkeiten oder Unwissen?

Doch anstatt das sachlich zu verhandeln, verirrten sich die Kontrahenten zuletzt immer tiefer in Eitelkeiten. Eine Fraktion um Franke warf Ines Geipel vor - selbst staatlich anerkanntes Dopingopfer und bis zum Dezember Vorstand des DOH -, sie würde den Opferbegriff zu sehr dehnen, Opferzahlen frisieren. Geipel konterte das immer aufbrausender, ehe Lehner sie an der DOH-Spitze ablöste. Franke wiederum äußerte auch stichhaltige Kritik, er bezweifelte etwa, ob Traumata genetisch vererbt werden können - doch das verblasste spätestens hinter der Eskalation, in die beide Seiten nun sehenden Auges schlitterten. Und jetzt?

Der Anti-Doping-Kampf war in Deutschland bis vor Kurzem Privatsache, zumindest der wirkungsvolle. Der bundesdeutsche Sportadel tankte einst bei Dopingärzten im Breisgau nach, abgeschirmt von der Politik; im Osten wurde per Staatsplan nachgeholfen. Nach dem Mauerfall wurde all das hastig übergangen; es lag an Kronzeugen und Aufklärern wie Franke, aus den Ruinen der versinkenden DDR jene Belege zu heben, ohne die es heute auch keine Dopingopferhilfe gäbe. Sport und Politik? Reagieren noch immer schleppend auf Enthüllungen. Ihr Anti-Doping-Kampf bleibt oft ein Anti-Doping-Management, das gerade so viel vom Problem zeigt, dass das Geschäft nicht zu sehr beschädigt wird.

In dieser Gemengelage braucht es weiter beides: Aufklärer wie Franke, die stets wie Eisbrecher durch das Packeis des Schweigens pflügten, und Vereine wie den DOH, der Opfern dieser Aufklärung eine feste Stimme gibt. Was es nicht braucht, sind Akademiker, die ihre Eisbrecher-Qualitäten im Ringkampf erproben.

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