Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Recyceln im Champagnerzelt

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Der Sport kann sich bei den brennenden Themen der Zeit nicht mehr aus der Verantwortung stehlen. Auch die Athleten merken, dass sie nicht mehr sakrosankt sind, wenn sie herumjetten.

Von Barbara Klimke

Bei den Australian Open lagen in diesem Jahr kompostierbare Löffel in der Kantine. Den Reportern wurde am ersten Tag eine Kaffeetasse zur Wiederverwendung in die Hand gedrückt, was hervorragend funktionierte, weil es keine Einwegbecher mehr gab. Manchmal muss man die Leute wohl zu ihrem Glück zwingen. Die Hausmeister installierten LED-Leuchten und Wasserauffangbecken. Und sogar die Tennisbälle sind recycelbar. In Australien, einem der trockensten Länder der Planeten, lege man großen Wert darauf, "mit gutem Beispiel voranzugehen, um die Verhaltensmuster zu ändern, die für Klimaneutralität nötig sind", erklärte Turnierdirektor Craig Tiley. Sogar zur Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen hat sich der Australische Tennisverband im vergangenen Jahr offiziell bekannt.

Am Freitag, dem wärmsten Turniertag, kletterten die Temperaturen auf 43 Grad. Und wer sich in der Backofenhitze im Melbourne Park Luft zufächelte, hätte einwenden können, dass ein paar Regenwassersammler im Fallrohr wohl nicht ganz reichen werden, um das Klimaziel zu erreichen. Aber sollte man sie deshalb nicht einbauen? Jeder Schritt hilft, hat die Profispielerin Julia Görges aus Regensburg dieser Tage gesagt. Und dann erzählte sie, dass sie, wann immer möglich, ihren eigenen Becher auf Reisen auspackt, zum Einkaufen die eigene Tasche mitnimmt; Kleinigkeiten nur, natürlich, aber wenn jeder Mensch sie beherzigen würde, wären alle ein Stückchen weiter.

Der Sport kann sich bei den brennenden Themen der Zeit nicht mehr aus der Verantwortung stehlen. Auch die beliebtesten Athleten merken inzwischen, dass sie nicht mehr sakrosankt sind, wenn sie im Privatflieger von Turnier zu Turnier jetten, nur weil ihnen Beinfreiheit wichtiger ist als der ökologische Fußabdruck. Aber anreisen muss die Weltelite irgendwie, samt Tross aus Trainern, Physiotherapeuten, Fitnesscoaches, Hittingpartnern, Managern, PR-Leuten, Familienangehörigen und ja, auch Reportern. Nur stellte sich auch diesmal die Grundsatzfrage, warum das ausgerechnet in der wärmsten Phase des australischen Sommers sein muss: bei Bullenhitze und mitten in der "Fire Season", wenn die Buschbrände besonders wüten.

Doch die Australian Open sind eben auch ein Wirtschaftsfaktor für den Bundesstaat Victoria. Ein Tennisfestival mit einem riesigen, ausufernden Rahmenprogramm: Open-Air Konzerten, Wasserparks, Karussells und Seilrutschen, Autosalons, Sponsorenständen, Nudelbars, Champagnerzelten. Voriges Jahr wurden umgerechnet 179 Millionen Euro an Einnahmen verbucht, der Minister für Tourismus und Sport konnte die Schaffung von 1000 Arbeitsplätzen verkünden. Tiley, der Direktor, kündigte an, dass die "größte Sportveranstaltung auf dem Globus im Januar" weiterwachsen werde, so nachhaltig es geht. Denn den Januartermin verteidigt Australien gegen Konkurrenten vor allem in der asiatischen Welt.

Die Tennisspieler, die gerne kommen, weil sie die australische Gastfreundschaft schätzen, haben in diesem Jahr zumindest auf eigene Initiative eine Sammelaktion für die Opfer der schweren Brände ins Leben gerufen. Angestoßen wurde die Idee von Nick Kyrgios, der aus Canberra stammt, der Australische Tennisverband schloss sich dann an. Bisher kamen für die Benefizaktion "Aces for Bushfire Relief" 5,8 Millionen Australische Dollar zusammen. Alexander Zverev, der beste deutsche Spieler, der im Halbfinale verlor, hätte im Falle seines Turniersiegs sogar sein gesamtes Preisgeld von vier Millionen Dollar gespendet, wie er dem Publikum versprach; weil er für jeden seiner Siege 10 000 Dollar überwies, sind es immerhin 50 000 Dollar geworden.

Nun, nach dem letzten Finale, steigen auch die Letzten wieder in den Jet. Die restlichen kompostierbaren Löffel werden eingepackt, der Vielfliegertross verabschiedet sich bis zum nächsten Jahr. Aber wie das so ist im internationalen Sportkalender: Schon am 12. März rücken die Formel-1-Piloten mit ihren Boliden an.

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SZ vom 03.02.2020
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