Kommentar:Präsident aus dem Nichts

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(Foto: sz)

Aleksander Ceferin? Bis vor Kurzem kannten im Weltfußball ausschließlich Eingeweihte den Slowenen. Nun soll er Uefa-Präsident werden.

Von Thomas Kistner

Im Weltfußball wird alles gut! Eine neue Ära beginnt! Tatsächlich? Die ersten Amtsmonate von Gianni Infantino an der Spitze des Weltverbands Fifa sind von steten Affären geprägt. Aber das hindert ihn selbstredend nicht daran, allzeit das Mantra seiner angeknockten Funktionärszunft runterzubeten: Transparenz! Demokratie! Saubere Geschäfte! Dass der Fußball unter Infantino in Wahrheit weitermacht wie bisher, zeigen drei Schlüsselpersonalien: die Generalsekretärin, der Compliance-Chef - und nun auch der zukünftige Präsident der ja ebenfalls mächtigen Europa-Union Uefa.

Fifa-Generalsekretärin ist Fatma Samoura, Senegalesin mit UN-Laufbahn, die Fußball bis vor Kurzem nur aus dem Fernsehen kannte. Der Compliance-Chef, der Infantino künftig auf die Finger schaut, ist der Slowene Tomas Vesel. Und nächste Woche wird der neue Uefa-Boss gewählt: Es wird wohl Vesels Landsmann und Bekannter Aleksander Ceferin. Man darf staunen über das jähe Erblühen Sloweniens in der Fußballzunft. Sieht man hinter die Kulissen, wundert einen nichts. Ceferin, 48, schießt aus dem Nichts an die Spitze, am Katapult sitzen alte Kameraden: Infantino - und Witali Mutko, Russlands Affären-umtoster Sportminister und Fifa-Vorstand.

Der Coup wurde mit diskreter Hilfe Infantinos eingefädelt, der die Uefa selbst lange als Generalsekretär geführt hatte. Hätte Mutko den Slowenier protegiert, wäre das nach hinten losgegangen: Er ist in Russlands Staatsdoping-Affäre verstrickt, die Fifa-Ethiker warten auf seine Akte. Eine Allianz mit Mutko zugunsten Ceferins hätten sich viele westliche Verbände wie der Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht leisten können. Also geschah Folgendes: Im Juni erklärte sich ein vermeintlich stockseriöses Quartett pro Ceferin: Schweden, Dänen, Finnen und Norweger. Der war da nicht mal Kandidat. Island und die Faröer übrigens verweigerten sich dem skandinavischen Bund; sie rügten, Ceferin habe nicht mal ein Manifest. Tage später grätschte Mutko rein: Plötzlich stützten auch Russland plus zwölf Osteuropäer den Mann aus Slowenien, wo der russische Uefa- und Fifa-Topsponsor Gazprom sehr präsent ist und eine Pipeline durchs Land plant. Und wo die Firma des Juristen Ceferin alte Geschäftskontakte mit Russland pflegt. Die Lawine rollte, noch ehe sich der Niederländer Michael van Praag, der als seriöseste Lösung galt, positionieren konnte.

Die Skandinavier vorzuschicken, war ein cleverer Zug. Sie hatten bei einem Treff im Mai mit Ceferin die Empfehlung Infantinos auf dem Tisch - vorgetragen durch Kjetil Siem. Der war da noch Norwegens Verbandssekretär, aber bereits mit der Fifa verbandelt, wo er jetzt Strategie-Direktor ist. Für die vier Skandinavier fiel prompt etwas ab: Es heißt, Ceferin unterstütze ihre gemeinsame Bewerbung um eine Europameisdterschaft 2024 oder '28. Und Gianni Infantino hat nun einen Compliance-Aufpasser und bald auch einen Europa-Chef, die nachbarschaftlich wohnen, gemeinsam studierten und einst im selben Freizeitteam kickten. So klein ist die Fußballwelt.

Der Deutsche Fußball-Bund wählt nun gleichfalls Ceferin. Den Unbekannten, dessen Aufstieg Fragen provoziert. Aber die DFB-Funktionäre wollen mit den Siegern marschieren - und wohl ihre Chancen auf das EM-Turnier 2024 nicht riskieren, indem sie den mit einer Reform-Agenda werbenden van Praag unterstützen. Das tun Briten und Benelux-Länder. Nur: Erklärte der DFB im Zuge der Affäre um Franz Beckenbauer und WM-2006-Mitstreiter nicht gerade erst, er mache künftig alles anders? Wenn nun alte Kameraden nach alter Sitte neue Seilschaften bilden, ist der DFB brav dabei - und hofft, dass auch für ihn etwas abfällt. Er bleibt der alte, auch mit neuen Leuten.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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