Auch wenn es seinen Gästen nicht schmeckte: Michel Platini hat nur die Wahrheit aufgetischt. Der Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa) hat bereits im April den Besuchern aus dem Berliner Bundestags-Sportausschusses klargemacht, dass es, freundlich formuliert, recht unwahrscheinlich sei, dass im Sommer des Jahres 2024 in Deutschland zwei der drei größten Sportevents des Globus stattfinden: Erst eine Fußball-EM mit 24 Mannschaften, dann Olympische Sommerspiele. Um letztere will sich ja nun Hamburg bewerben.
Was Platini sagt, ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist naiv zu glauben, dass die internationale Funktionärsschar versessen ist, Deutschland (oder wem auch immer) Sommermärchen serienweise zu bescheren. Das ist, wenn man die nationale Perspektive verlässt, auch in Ordnung. Dieser Planet hat schon etwas mehr Vielfalt zu bieten, auch der Planet Sport.
Dass es aber so lange gedauert hat, bis das Thema auf den Tisch kommt, ist entlarvend. Es offenbart die sportpolitische Brisanz: Hängt Platinis Verdikt erst an der großen Glocke, wird es eng für Hamburgs Olympiaplaner. Bisher wurde das Thema doppeltes Sommermärchen 2024 listig wegmoderiert: Man fragte einfach jede Menge deutscher Sportfunktionäre, ob sie sich so ein Doppel-Event vorstellen können, und die gaben brav zur Antwort: Ja. Klar. Was sollen sie sonst auch sagen?
Aber das ist irrelevant. Deutsche Funktionäre stimmen nicht ab. Und weil dem DFB die EM quasi bereits zugesagt ist, tendieren Hamburgs Chancen gegen Null.
Na und? Der deutsche Sport hat sein Talent zur Einschätzung eigener Olympia-Chancen erst jüngst wieder bei Münchens Bewerbung 2018 demonstriert: krachend gescheitert in Runde eins. Dabei stand damals Thomas Bach im Bug, heute Chef im Internationalen Olympischen Komitee.
Wunschdenken schlägt Realitätssinn, so war es bisher. Will Deutschland die Spiele, muss es zwei Systemfehler korrigieren: Oberste Priorität hat die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt, auch müssen die Einzelinteressen der Funktionäre ignoriert werden. Letztere führten dazu, dass das Land immer wieder im falschen Ring stand. Zuletzt mit München für Spiele, die de facto schon Pyeongchang zugesagt waren -, aber eine deutsche Bewerbung für den Winter 2018 passte besser in Bachs Karriereplan als eine für den Sommer 2020. Die wäre zwar gut zu gewinnen gewesen, kollidierte terminlich aber mit der IOC-Thronkür. Für den Winter 2022 hätte München jetzt kein Problem gegen Peking oder Almaty, denn auch die Sommer- und Winterspiele zuvor finden in jener Region statt, in Südkorea und Japan. Stattdessen soll nun Hamburg gegen favorisierte Mitbewerber wie Boston, Paris, Rom antreten. Und vor allem: gegen sich selbst, gegen eine deutsche Fußball-EM.
Die Frage ist, wie transparent die Sachlage der Hamburger Bevölkerung dargeboten wird, wenn sie im Herbst über eine Bewerbung abstimmt, die im Grunde ja ganz Deutschland betrifft. Vor allem diese Botschaft steckt in Platinis Warnung.