Olympia-Boykott:Athleten als Geisel

Es gibt nur ein Argument gegen einen vollständigen Boykott der Winterspiele in China: die Interessen der Sportler. Doch diese ließen sich auch anders bedienen.

Kommentar von Johannes Aumüller

Seit Wochenbeginn ist also klar, dass es einen Olympia-Boykott geben wird - einen diplomatischen. Die US-Regierung um Präsident Joe Biden wird keine Vertreter zu den Winterspielen in Peking schicken, Australien und Großbritannien schlossen sich bereits an. Auch in Deutschland plädieren Vertreter der Ampel-Parteien für einen solchen Schritt, wenngleich der neue Kanzler Olaf Scholz sich noch ausweichend äußert.

Es ist richtig, wenn die hohe Politik den Spielen fernbleibt. Doch zugleich bleibt es angesichts der brutalen Menschenrechtslage in China nachvollziehbar, wenn Aktivisten und manche Politiker die Frage aufwerfen: Reicht das eigentlich? Oder bräuchte es nicht noch einen Schritt mehr: den sportlichen, den richtigen Boykott? Spiele ohne Biden und Scholz mag Chinas Regierung letztlich aushalten. Doch man stelle sich einmal vor, die USA, Kanada und die meisten europäischen Länder würden sich darauf verständigen, keine Athleten nach Peking zu entsenden: Welch Fiasko würden die beiden als Propagandashow geplanten Wochen im Februar für Chinas Diktatur werden.

Wenn nun verstärkt der Komplett-Boykott diskutiert wird, gibt es ein einziges nachvollziehbar klingendes Argument dagegen: der Verweis auf die Athleten, die nach Jahren der Vorbereitung darunter zu leiden hätten, nun den großen sportlichen Höhepunkt zu verpassen. Aber selbst das ist schwierig.

Denn das IOC nimmt die Sportler ja quasi als Geiseln, wenn es die Spiele nach Peking vergibt - und wenn es dann tatenlos den Menschenrechtsverstößen zuschaut. Und so etwas Tolles ist das, was in Peking stattfinden soll, nun auch wieder nicht, sondern es werden vielmehr die für Athleten unfreundlichsten Spiele der Olympia-Historie.

Die Boykotteure könnten ja irgendeinen anderen Wettkampf zum Jahreshöhepunkt erklären

In normalen Zeiten ließe sich trotz aller Verfehlungen des IOC immerhin argumentieren, dass Olympische Spiele ein ganz besonderes Ereignis sind, zu dem sich die Jugend der Welt versammelt; wenngleich insbesondere die Wintersportler den vielbeschworenen olympischen Geist ohnehin oft vermissen. Frag nach bei den Abfahrern oder Skispringern, die 2018 in Pyeongchang vor mauer Kulisse oder bis tief in die Nacht antreten mussten.

Aber in Corona-Zeiten mit seinen strengen Kontakt-, Wege- und Zuschauerbeschränkungen entfällt das als Argument komplett. Das Abfahrtsrennen in Yanqing oder der Skisprungwettkampf in Zhangjiakou sind so nichts weiter als ein normales Abfahrtsrennen und ein normaler Skisprungwettkampf, zu dem ein paar Dutzend Menschen zusammenkommen und auf dem die Etiketten "olympisches Abfahrtsrennen" oder "olympischer Skisprungwettkampf" pappen.

Da wäre es eine zwar utopisch anmutende, aber doch interessante Vorstellung, wenn Peking von vielen Ländern boykottiert werden würde und die Boykotteure sich zugleich darauf verständigten, irgendein anderes Ereignis, etwa einen Weltcup im März, zum Höhepunkt der vierjährigen Olympiade zu erklären. Die Sieger könnten sich mindestens Olympiasieger der Herzen nennen; tatsächlich dürfte ihnen mehr Ruhm als allen normalen Olympiasiegern gewiss sein.

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