Kommentar:Modell Trainerberater

Selldorf Kreis

Auch die Trainer firmieren im Profifußball immer mehr als frei erwerbliche Handelsobjekte. Hier hat sich das Berufsbild dem der Spieler stark angenähert.

Von Philipp Selldorf

Christoph Schickhardt aus Ludwigsburg ist der berühmteste Rechtsanwalt der Fußball-Bundesliga. Dies ist allerdings kein großes Kunststück, denn er scheint der einzige Rechtsanwalt zu sein, den die Liga um Rat zu fragen pflegt. Schickhardt hat quasi ein Monopol auf die Rechtsberatung für Fußballklubs und Fußballspieler erworben. Der Legende nach ist er der einzige Anwalt auf der Welt, der zugleich den Kläger als auch den Beklagten bzw. Beschuldigten vertreten kann - und selbstredend für beide Parteien den Prozess gewinnt.

Schickhardt ist aber nicht nur vor allerlei Gerichten tätig, er ist Vereinen auch dabei behilflich, Führungskräfte zu akquirieren, während er wiederum Führungskräften, zum Beispiel Trainern, dabei behilflich ist, neue Stellen zu finden und Arbeitsverträge zu gestalten. Weil Schickhardt diese vielfältigen und manchmal konträren Aufgaben geschickt und einvernehmlich zu behandeln weiß, fungiert er allseits als Vertrauensperson.

Die Konzentration auf wenige Anbieter ist auch im Fußball ein Merkmal des Systems. Neulich gaben DFB und DFL bekannt, dass die Erstliga-Vereine während der vorigen Saison 128 Millionen Euro an Spielerberater abgeführt haben. Der große Teil der Beute konzentriert sich auf ein paar Branchenführer. Rund 80 Prozent der 128 Millionen entfallen auf zehn Prozent des Anbietermarkts.

Nicht enthalten in der Summe sind die Honorare für Trainerberater, obwohl auch diese mittlerweile nicht unerhebliche Kosten verursachen. Denn auch die Trainer firmieren im Profifußball neuerdings als frei erwerbliche Handelsobjekte, hier hat sich das Berufsbild dem der Spieler stark angenähert. Anschaulich wird das zurzeit durch zwei aktuelle Fälle: Markus Weinzierl und Ralph Hasenhüttl.

Hervor tut sich eine Agentur aus Bremen - gegründet unter anderem von Oliver Bierhoff

Sie stehen beim FC Augsburg bzw. FC Ingolstadt unter Vertrag, beide haben ihren Vereinen aber mitgeteilt, sie zugunsten anderer Bewerber im Sommer verlassen zu wollen. Beide beschäftigen Berater, die Kontakte aufnehmen und Verhandlungen führen. Diese Berater stehen nicht wie Schickhardt von Fall zu Fall zur Seite, sondern treten als ständige Dienstleister auf - und als Einflussfaktoren im Ligabetrieb. Auf diesem noch recht jungen Tätigkeitsfeld tut sich die in Bremen ansässige, vom DFB-Manager Oliver Bierhoff mitgegründete Agentur Projekt B hervor, die etliche Trainer zu ihren Klienten zählt: Jürgen Klopp, André Schubert, Viktor Skripnik, Michael Frontzeck, Torsten Lieberknecht und andere. Sichtbar wird der große Umfang des Kundenstamms, wenn - wie neulich in Bremen - der Job des einen Projekt-B-Trainers in Gefahr gerät (Skripnik) und der andere Projekt-B-Trainer (Lieberknecht) in Medien als Nachfolger gehandelt wird.

Daraus muss man noch keine finsteren Machenschaften ableiten, wenngleich es bemerkenswert ist, dass das DFB-Präsidiumsmitglied Bierhoff als Akteur in der Berater- und Vermittlerbranche auftritt. Die Folgen der Entwicklung sind jedoch konkret zu erkennen: Vertragstreue steht nun auch bei Trainern nur noch in Relation zum persönlichen Vorteil - siehe Hasenhüttl. Wie die Spieler betreiben auch die Trainer ihre Karriere mit der Hilfe Dritter. Das ist zwar ihr gutes Recht und eine logische Vergeltung - sie werden ja auch oft genug gegen ihren Willen aus bestehenden Verhältnissen entlassen. Allerdings ändert sich auf diese Weise der Status des Trainers. Er nimmt Abstand zum Verein, verliert vor den Profis seine traditionelle Vorbild-Rolle und ist als Schlüsselfigur im sportlichen Gebilde nur noch bedingt verlässlich. Doch so ist wohl das Geschäft. Fragt sich bloß: Wann betritt der erste Schiedsrichterberater das Geschäftsfeld Bundesliga?

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