Süddeutsche Zeitung

TSG Hoffenheim:Stevens wird der Bundesliga fehlen

Mit ihm verschwindet eine komplette Berufsgruppe.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Huub Stevens hat selbst einmal einen Trainer beerbt, der sich jenseits der Grenzen seiner Schaffenskraft wähnte. Nur folgte er auf einen Jüngeren. Stevens, damals 57, übernahm im Herbst 2011 von Ralf Rangnick, damals 52, die Trainerbank bei Schalke 04. Rangnick hatte sich wegen eines Burnout-Syndroms eine plötzliche Auszeit verordnet.

Längst ist er zurück, wirkt vital und tatendurstig wie einst und mutet sich im Red-Bull-Sportimperium einen Job zu, den kein Arzt einem akuten Stresspatienten je gestatten würde. Rangnick wird wohl mit RB Leipzig in die erste Bundesliga aufsteigen, Stevens steigt aus, die sentimentale Pressekonferenz am Mittwoch bei der TSG Hoffenheim wird seine letzte als Fußballtrainer gewesen sein.

Damals, als Stevens Rangnick beerbte, schien er von einem unerschütterlichen Naturell zu sein. Denn Zeit seiner Karriere pflegte der gelernte Schlosser aus Kerkrade den Schein, durch nahezu nichts zu irritieren zu sein. Er war der personifizierte Fatalismus, der eigentliche Fußball-Prediger des Immer-weiter-immer-weiter.

Vier Minuten Meister mit Schalke

Einmal, 2001, war er sogar mit Schalke Deutscher Meister, aber nur für vier Minuten und 38 Sekunden. Dann schoss der FC Bayern in Hamburg noch ein Tor. Legendär, dieses Liga-Finale, und von jenem Tag gibt es sogar Bilder, auf denen sich Stevens mit den Händen ein wenig Wasser aus den Augenwinkeln wischt. Solche Momente der öffentlichen Rührung gestattete er sich nahezu nie. Meist tat er zwischen zwei Spielen das, was er auch am vorigen Wochenende - im Rahmen eines erschütternden 0:2 gegen Darmstadt - mit perfider Leidenschaft erledigte: Er bellte in alle Mikrofone. Eine Fachfrage an ihn wurde nicht erst in Hoffenheim zur Mutprobe für jeden Reporter.

Dass sein Herz sich einen eigenen Rhythmus sucht, dürfte er länger schon gespürt haben. So etwas kommt nicht über Nacht. Womöglich wollte er noch einmal gegensteuern, im Stress der Liga gegen das Veto des eigenen Körpers anschreien. Wie beim VfB Stuttgart, der sich unter seiner Anleitung 2014 und 2015 im letzten Augenblick dem Abstieg entziehen konnte. Doch die Hoffenheimer brachte Stevens nicht wieder auf Tour - zehn Spiele, ein Sieg, Tabellenletzter.

In der Person von Stevens steigt nun eine komplette Berufsgruppe aus der Bundesliga aus. Er war der letzte Feuerwehrmann. Der Letzte von denen, die der Notruf ereilte, wenn kaum noch was zu retten war. Weit und breit ist da keiner in Sicht, der dieses Anforderungsprofil erfüllen könnte. Dazu braucht es Autorität und ein gewisses Alter. Otto Rehhagel schied mit 73 aus, Huub Stevens geht mit 62. Das letzte Wort nahm er sich selbst: "Schade, dass der Knurrer nicht mehr da ist ...".

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SZ vom 11.02.2016/amb
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