Kommentar:Mia san Dortmund

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Dortmund feiert das 2:1 in Augsburg. (Foto: AFP)

Der BVB führt die Tabelle an, weil er jetzt auch Spiele gewinnt, in denen er richtig schlecht spielt. Für den FC Bayern ist das eine weitere bedrohliche Nachricht.

Kommentar von Sebastian Fischer

Uli Hoeneß neigt in diesen Tagen zwar dazu, in sogenannten Kamingesprächen seine Gedanken zu verraten. (Hoeneß tritt bei solchen Gelegenheiten vor zahlendem Publikum auf und spendet sein Honorar.) Und so stammt zum Beispiel die Information, dass der Bayern-Trainer Carlo Ancelotti am Donnerstag gehen musste, weil "der Feind im eigenen Bett der gefährlichste" ist, aus einem solchen Kamingespräch mit Hoeneß in Siegen/Nordrhein-Westfalen.

Doch es wird wahrscheinlich eher nicht nach außen dringen, wie der Bayern-Präsident Hoeneß diesen Bundesliga-Samstag verbracht hat. Deshalb sei es an dieser Stelle erlaubt, ein wenig zu spekulieren. Vielleicht hat er den Spieltag vor dem Videotext verfolgt und währenddessen mit dem nächsten Trainer des FC Bayern telefoniert. Vielleicht hat er sich auch die Konferenz angesehen, um möglichst vielen Trainern gleichzeitig bei der Arbeit zuzusehen, kann ja nicht schaden. Vielleicht hat er aber auch den Kontrahenten Borussia Dortmund beobachtet. Und dann, rein hypothetisch, ist es vielleicht kurz mal laut geworden in der Fernsehstube am Tegernsee.

Da schießt dieser Stürmer namens Andrej Jarmolenko ein Tor mit der Hacke nach einer Ecke, frech, wie aus dem Nichts. Wie damals der Giovane Elber! Hat Hoeneß vielleicht gerufen. Dann spielt Dortmund ein bisschen fahrig, wirkt ein bisschen müde, kassiert den Ausgleich. Und kurz darauf streichelt Shinji Kagawa den Ball ins Tor, ein Lupfer vom Sechzehner, wen interessiert da der Rest des Spiels? Wie damals der Mehmet Scholl! Hat Hoeneß vielleicht gerufen. Und später erklären die Dortmunder dann, wie schlecht sie gewesen sind, sagen, dass solche Spiele in einer Saison aber nun mal vorkommen - und sie die Punkte, haha, trotzdem gern mitnehmen.

Dortmund reichen zwei Weltklasse-Tore - so steht es ja eigentlich in der Bayern-DNA

Wie damals wir! Hat Hoeneß vielleicht gerufen. Oder: Wie mia! Und dann könnte er, stiller und einigermaßen besorgt, gefragt haben: Wenn die jetzt schon wie mia san, wer san dann überhaupt mia?

Bevor es hier jetzt zu albern wird: Kommen wir lieber zur Essenz dieses Spieltags, der zwar aus Sicht der Spitzenteams erst mit dem Auftritt der Bayern am Sonntag in Berlin komplett ist, aber der jetzt schon eine Tendenz aufweist: Borussia Dortmund, in der letzten Saison noch ein fußballerisch so hoch veranlagtes wie fragiles Gebilde, kann, Stand jetzt, auch die schwachen Spiele gewinnen.

Dortmunds Verteidiger Sokratis hatte es gleich nach dem Spiel erfasst: "Letztes Jahr haben wir solche Spiele nicht gewonnen", sagte er. Er erinnerte an eine 1:2-Niederlage damals in Darmstadt. Doch nun, in Augsburg, reichten zwei Weltklasse-Tore zu einem Sieg, den in ein paar Tagen niemand mehr hinterfragen wird, weil er nun mal einer von vielen war.

Genau so steht es ja eigentlich in der DNA des FC Bayern. So stand es darin auf jeden Fall mal, in den Zeiten, die sich Präsident Hoeneß so sehr zurückwünscht.

Die Bayern haben Probleme mit dem Gewinnen, der BVB gewinnt

Der deutsche Meister hat gerade bekanntlich ein paar Probleme zu lösen, zuvorderst einen Nachfolger für den entlassenen Ancelotti zu verpflichten, der einem Aufstand der Führungsspieler zum Opfer fiel; daher Hoeneß' Satz vom "Feind im Bett". Und der Blick auf den Rivalen Dortmund macht diese Probleme nicht kleiner. Nach sieben Spielen in der vergangenen Saison hatte Dortmund bereits zweimal verloren und einmal Unentschieden gespielt. Nun steht in der Bilanz gerade mal ein 0:0 in Freiburg, neben sechs Siegen. Dass die Augsburger Angreifer Caiuby, Finnbogason und Heller den Dortmunder Abwehrspielern in der zweiten Halbzeit ständig davonliefen, und dass Bosz vom "schlechtesten Spiel, seit ich BVB-Trainer bin" sprach, steht in dieser Bilanz nicht. Muss es aber zunächst auch nicht.

Es ist noch zu früh, um nach sieben Ligaspielen die Rückkehr des spannenden Meisterschaftskampfs auszurufen. Gerade weil Dortmund in Augsburg auch hätte verlieren können. Und auch die Vergleiche zwischen FCB und BVB bleiben vage bis zum Aufeinandertreffen im November. Festzuhalten ist bloß, dass die Bayern gerade Probleme mit dem Gewinnen haben - und dass Dortmund sich den Luxus leistet, trotz ein paar kleinerer Probleme, genau: zu gewinnen. Festzuhalten ist, dass der FC Bayern sich offenbar in alte Zeiten zurücksehnt - während Dortmund ziemlich zuversichtlich nach vorne blickt.

© SZ vom 01.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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