Kommentar:Lehren aus einem Dopingfall

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Sprang zu Silber in Rio: Martina Caironi. (Foto: Atsushi Tomura/Getty Images)

Bei der WM der Para-Leichtathleten ist eine Vorzeige-Athleten mit einer positiven Dopingprobe aufgefallen. Der Behindertensport ist nicht frei von Betrug - aber das nimmt ihm nicht seine Faszination.

Von Sebastian Fischer

Es gibt Nachrichten, mit denen sollten Sportveranstaltungen eher nicht beginnen, wenn sie für mehr stehen sollen als Wettkampf und Höchstleistungen. Die Weltmeisterschaften der paralympischen Leichtathletik sind eine solche Veranstaltung, der wichtigste Termin des Jahres in der paralympischen Königsdisziplin, im Jahr vor den Paralympics in Tokio. Behindertensportler eignen sich allein schon durch ihr Sportlersein als gesellschaftliche Vorbilder, ihre Biografien können inspirieren. Die WM am Donnerstag in Dubai hat allerdings mit einer nicht gerade inspirierenden Meldung aus Italien begonnnen: Martina Caironi, Sprinterin, Weitspringerin, Goldmedaillengewinnerin, Fahnenträgerin 2016 in Rio de Janeiro, wurde positiv auf das verbotene Steroid Clostebol getestet.

"Der Para-Sport ist nicht frei von Doping", sagt Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbands (DBS). "Quantitativ allerdings deutlich weniger betroffen" - im Vergleich mit Olympia. Der Anti-Doping-Kampf ist im paralympischen Kosmos noch vergleichsweise jung, lange fehlten die Mittel für eine ernstzunehmende Anzahl an Tests, immer noch sind die Standards international kaum vergleichbar. Und das Internationale Paralympische Komitee (IPC) ist in der jüngeren Vergangenheit vom als konsequent gelobten Kurs abgerückt, russische Athleten nach der Staatsdopingaffäre nicht zuzulassen.

Es ist plausibel, dass mit der - fraglos begrüßenswerten - steigenden Professionalisierung im paralympischen Sport auch die üblichen negativen Begleiterscheinungen wie der Hang zum Betrügen einhergehen. Caironi, Vortragsrednerin und Testimonial für einen großen Prothesenhersteller, ist der vorsätzliche Betrug noch nicht nachgewiesen: Sie erklärt den Positivtest mit der großzügigen Verwendung einer Salbe, für die sie eine medizinische Ausnahmegenehmigung beantragt habe. Sie wurde vorläufig suspendiert.

Bei aller Plausibilität wäre es allerdings ein vorschneller Schluss, der Veranstaltung nun ihren besonderen Wert abzusprechen. Die Doping-Meldung zum Start zeigt vielleicht einfach, dass man paralympische Sportler nicht als "Supermenschen" überhöhen muss, wie es in einer berühmten Werbekampagne vor den Paralympics in London 2012 geschah. Aber sie sollte auch nicht davon ablenken, dass die Para-Athleten ein großes Publikum verdienen; ein Publikum, auf das sie am Veranstaltungsort voraussichtlich verzichten müssen, weil in den Vereinigten Arabischen Emiraten ähnlich wie bei der Leichtathletik-WM in Katar im Oktober nicht mit großem Zuschauerandrang zu rechnen ist, wie der Kugelstoßer Niko Kappel befürchtet und deshalb die Wahl des Ausrichters kritisiert. "Die Sportler haben spannende Geschichten zu erzählen", sagt er. Um die sollte es nun eine Woche lang gehen.

© SZ vom 08.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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