Halbfinale bei der Frauen-WM:Mit Köpfchen gegen den ICE

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Jubel nach dem Sieg im Elfmeterschießen: Leonie Maier, Simone Laudehr und Melanie Behringer. (Foto: AFP)

Beim Duell zwischen den DFB-Frauen und den USA prallen zwei Systeme aufeinander. Die Gelassenheit könnte für die Deutschen sprechen.

Kommentar von Kathrin Steinbichler, Montréal

Vorhin im gemeinsamen Hotel in Montréal, meint Silvia Neid, habe sie es sich wieder gedacht. "Die Amerikanerinnen sind einfach anders als wir", sagt die Bundestrainerin. Die würden mehr Lärm machen, "die halten sich vor jedem Spiel für die Größten." Ihre Mannschaft sei da anders. Ruhiger und zurückhaltender - "aber bestimmt genauso gut." Seit zwei Jahrzehnten gehören die USA und Deutschland zu den Besten im Frauenfußball und führen auch ein Duell der Stile. Hier der athletische Powerfußball, dort der auf Technik bedachte Spielaufbau. Hier das Herz, dort der Kopf als wichtigstes Organ. Ein Kampf der Kulturen.

2003 war es Deutschland, das als späterer Sieger den Titelverteidiger USA bei dessen Heim-WM aus dem Turnier warf und damit die Unbesiegbarkeit der Golden Girls auf heimischem Boden beendete. "Seitdem wussten wir, dass wir auf Augenhöhe spielen können", sagt Neid. Seitdem kam es aber auch bei keiner WM mehr zum direkten Vergleich. Spielführerin Nadine Angerer ahnt daher, was die deutsche Elf im Halbfinale dieser WM gegen die USA erwartet: "Da wird ein geballter ICE auf uns zurauschen." Wuchtig, schnell, unerbittlich. Und aufgeladen mit Historie.

Während US-Trainerin Jill Ellis dabei unter hohem Erwartungsdruck steht, können die Bundestrainerin und ihre Mannschaft gelassen in die Begegnung gehen. Das Minimalziel Olympiaqualifikation ist geschafft, die Jungen im Team sind integriert und haben das nächste große Turnier in Aussicht. Schon das erfüllt eine Bundestrainerin mit Stolz, und Neid macht keinen Hehl daraus, sie will jetzt noch mehr: "Natürlich wollen wir jetzt auch den letzten Schritt gehen und ins Finale."

Dabei ist ungewiss, ob der letzte Schritt gelingt. Nach 120 aufreibenden Minuten gegen Frankreich war die Mannschaft extrem erschöpft, manche Spielerin hatte Mühe, sich vom Zimmer in den Frühstücksraum zu schleppen. Der Einsatz von Mittelfeldspielerin Dzsenifer Marozsan ist nach ihrer erneuten Knöchelverletzung unsicher. Die Bundestrainerin aber bleibt gut gelaunt, sie weiß: Ihre letzte Weltmeisterschaft wird mit einem Höhepunkt enden - ob der nun USA oder Finale heißt.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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