Kommentar:Kanye, der Weise

Stephen Curry jagt Michael Jordan, die Golden State Warriors werden ständig an der legendären Meistermannschaft der Chicago Bulls gemessen - der US-Sport kommt einfach nicht ohne Rekorde aus. Warum eigentlich?

Von Sebastian Fischer

Michael Jordan würde sich freuen. Als sich Amerikas Basketball-Helden vor ein paar Tagen zum All-Star-Game trafen, hat der Profi Klay Thompson von den Golden State Warriors einer Reporterin von einem Treffen mit dem großen Jordan berichtet. Es ging um die Siegesserie der Warriors in der NBA, um die Vergleiche mit Jordans Chicago Bulls 1995/1996. His Airness habe ihm die Erlaubnis erteilt: "Brecht den Rekord." Es ist eine Geschichte, wie sie die Amerikaner lieben.

In der Nacht zum Dienstag haben die Warriors die Atlanta Hawks bezwungen, es war ihr 50. Sieg im 55. Saisonspiel. Die legendären Bulls von 1996 mit Jordan, Scottie Pippen und Dennis Rodman gewannen 72 Spiele, so viele wie bislang keine Mannschaft vor oder nach ihnen. Doch für 50 Siege benötigten sie 56 Spiele, eines mehr als die Warriors. Die Warriors jagen also den Rekord. Und ihr Point Guard Stephen Curry sei der nächste Jordan, sagen manche. Gegen Atlanta hat er 36 Punkte erzielt. Curry wirft seine Dreier von knapp hinter der Mittellinie und zum Spaß schon mal aus dem Kabinengang, er ist ein Naturereignis. Aber ihn mit Jordan zu vergleichen? Warum muss das eigentlich immer sein?

Der US-Sport kommt einfach nicht ohne Superlative und Rekorde aus. Allein am vergangenen Spieltag identifizierten die Statistiker ja noch ein paar weitere Bestmarken. Dirk Nowitzki hat als sechster Spieler der Geschichte mehr als 29 000 Punkte erzielt. Anthony Davis von den New Orleans Pelicans, 22, kam als jüngster Spieler der NBA-Historie auf 59 Punkte. Curry könnte im nächsten Spiel den Rekord von Atlantas Distanzschützen Kyle Korver einstellen, der in 127 aufeinanderfolgenden Spielen einen Dreier getroffen hat, Curry steht bei 126. Nach einem Dreier aus schier unmöglichem Winkel gegen Atlanta tanzte er vor der gegnerischen Auswechselbank, so dass ESPN gleich wieder verglich: Hat dieser Curry jetzt etwa auch noch Jordans competitive viciousness, die Boshaftigkeit im Wettkampf? Die Antwort war übrigens: nein. Es war bloß eine Hommage an einen Freund.

Das ist ja die Ironie der ewigen historischen Überhöhungen: Die Spieler selbst halten meist wenig davon. Es braucht schon eine seltene Egozentrik wie beim insgesamt viermal als wertvollster Spieler der Liga geehrten LeBron James, um Vergleiche mit Jordan selbst heraufzubeschwören. Und es braucht nun ausgerechnet einen der größten Egozentriker Amerikas, um die Debatte über den Curry-Jordan-Vergleich - eher unfreiwillig - zu relativieren. Der Rapper Kanye West twitterte neulich: "Ich bin der Jordan und Steph Curry der Musik, das heißt ich bin der beste aus zwei Generationen." Zwei Sportler, zwei Generationen, beide großartig. So einfach ist das.

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