Kommentar:Ist da jemand?

Um den Menschen paralympischen Sport nahezubringen, muss man sie in die Welt der Behindertensportler mit einbeziehen. Bei den Leichtathleten und Para-Leichtathleten gibt es da noch Nachholbedarf.

Von Sebastian Fischer

Der Comedian Faisal Kawusi kam in dieser Woche zu spät zum letzten Weitsprung in der Karriere seines Kumpels. Als Heinrich Popow im Berliner Jahn-Sportpark anlief, stand Kawusi vor dem Olympiastadion. Er dachte, dass dort die Leichtathletik-Wettkämpfe stattfinden.

Wenn es nur so einfach wäre. Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbands, hat am Donnerstag nach drei Veranstaltungstagen ein Zwischenfazit der Para-Leichtathletik-EM gezogen. Und weil die Ränge bislang ziemlich leer bleiben, sagte er: "Mit den Zuschauerzahlen kann man nicht zufrieden sein. Das ist unangemessen für die Leistungen der internationalen Athleten. Tausende Berliner verpassen hier etwas Einmaliges, das ist schade." Tausende Berliner wissen vielleicht gar nicht, was sie verpassen.

Die Fernsehpräsenz der Veranstaltung ist zwar groß, Berichte laufen in der Tagesschau, Werbung auf den Bildschirmen der U-Bahn. Doch dort, wo vor zwei Wochen die Leichtathletik-Fans saßen - bei der EM im Olympiastadion -, war Werbung rar. Der DBS kritisiert die mangelnde Kooperationsbereitschaft des europäischen Verbands. Der Para-Panda, das paralympische Maskottchen, habe im Olympiastadion Hausverbot gehabt, heißt es. Aber das ist nicht das einzige Problem.

Um den Menschen paralympischen Sport nahezubringen, muss man ihnen entgegenkommen. Das macht Großbritannien seit den Paralympics 2012 vor, 2017 fanden dort die Weltmeisterschaften der behinderten und nicht behinderten Leichtathleten statt; beide Veranstaltungen hatten ein gemeinsames Organisationskomitee, gemeinsame Plakate. Schüler wurden nicht nur eingeladen, sie verbanden den Besuch mit Unterricht, lernten die Namen der Athleten und ihre Behinderung in Schulheften. Sie lernten, warum in manchen Wettkämpfen nur drei Athleten starten.

Der Weg des Behindertensports soll in eine inklusivere Zukunft führen, die paralympischen Einzelsportarten mehr von olympischen Fachverbänden organisiert werden, im Tischtennis soll das demnächst beginnen. Manche sehen die Gefahr, der paralympische Sport könne etwas von seinem Wesen verlieren. Doch Veranstaltungen wie die in Berlin können von der Gemeinsamkeit nur profitieren. Dann ist es auch wahrscheinlicher, dass jeder den richtigen Weg findet.

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