Weltrekorde:In 80 Tagen um die Welt

Eliud Kipchoge läuft einen Marathon wie aus dem Märchen, am selben Tag bricht Zehnkämpfer Kevin Mayer den Weltrekord. Erfolge, die in Zeiten des Dopings immer weniger Menschen unkritisch bestaunen. Daran ist der Sport selbst schuld.

Kommentar von Joachim Mölter

Als der französische Schriftsteller Jules Verne im 19. Jahrhundert Romane veröffentlichte, die sich mit Reisen auf den Meeresgrund, zum Mittelpunkt der Erde sowie zum Mond beschäftigten, da staunten die Menschen, auf was für unglaubliche Ideen einer kommen kann. Alles, was Jules Verne schrieb, erschien seinerzeit ja unmöglich.

Inzwischen gleiten aber tatsächlich Menschen in U-Booten über den Meeresboden, und nur noch Verschwörungstheoretiker zweifeln an, dass es auch schon welche gegeben hat, die auf dem Mond gelandet sind, abgeschossen von der Erde mit riesigen Raketen. Man darf also gespannt sein, wie gleichmütig die Menschheit im 22. Jahrhundert auf manche Ereignisse zurückblickt, die ihre Vorfahren heute zum Staunen bringen, weil sie ihnen als unmöglich vorkommen oder zumindest als unbegreiflich, unfassbar.

Wie zum Beispiel der Marathon-Weltrekord, den der Kenianer Eliud Kipchoge am Sonntag in Berlin gerannt ist.

Die Leichtigkeit des Laufens bringt einen zum Staunen

Dabei ist es nicht allein die Zeit, die bemerkenswert ist, jene 2:01:39 Stunden, in denen der 33-Jährige die 42,195 Kilometer lange Distanz zurückgelegt hat. Es ist auch die Steigerung zur bisherigen Bestmarke, es sind jene 1:18 Minuten, die Kipchoge schneller war als sein Landsmann Dennis Kimotto. In der modernen Zeitrechnung des Sports werden Rekordverbesserungen ja eher in Sekundenbruchteilen gemessen, selbst im Marathon handelte es sich meistens allenfalls um Sekunden, nicht aber um Minuten. Und vor allem ist es Kipchoges Leichtigkeit des Laufens, die einen zum Staunen bringt.

Der Mann rannte die einzelnen Abschnitte so gleichmäßig herunter wie ein Metronom, Kilometer für Kilometer. Jeden einzelnen bewältigte er in einer Zeit zwischen 2:52 und 2:56 Minuten: Für die ersten fünf Kilometer benötigte er beispielsweise 14:24 Minuten, für die doppelt so lange Strecke zwischen dem 30. und dem 40. Kilometer waren es 28:48 Minuten, also auch genau doppelt so lange. Und das alles schaffte er ohne sichtliche Anstrengung, man hat den Eindruck bekommen, er könne noch ewig so weiterlaufen, ohne Pause. Rechnet man die 2:01:39 Stunden über die 42,195-Kilometer-Distanz hoch auf den Erdumfang, würde Eliud Kipchoge dann tatsächlich Jules Vernes berühmtesten Roman umsetzen: "In 80 Tagen um die Welt". Und zwar ausschließlich zu Fuß.

Je größer ein Leistungssprung, desto größer auch die Skepsis

Nun ist es so, dass die bedingungslose Fortschrittsgläubigkeit der Menschheit Dämpfer bekommen hat, auch im Sport und dort gerade in der Leichtathletik. Zu viele Dopingfälle haben zu viele Zweifel hinterlassen, dass immer alles mit rechten, natürlichen Dingen zugeht. Je größer ein Leistungssprung ist, desto größer ist mittlerweile auch die Skepsis. Daran trägt der Sport selbst Schuld, weil seine Funktionäre zu wenig gegen den Einsatz verbotener Mittel unternehmen. So wird sich auch Frankreichs Kevin Mayer, der am Sonntag den Zehnkampf-Weltrekord knackte, nicht über uneingeschränkte Bewunderung freuen dürfen.

Gegen Eliud Kipchoge liegt kein akuter Verdacht vor, und es kann sein, dass im nächsten Jahrhundert nur noch Verschwörungstheoretiker solche bahnbrechenden Errungenschaften anzweifeln, wie er nun eine vollbracht hat. Es ist möglich, dass Kipchoge seiner Zeit so weit voraus ist, wie es einst bereits Jules Verne war. Man kann es sich aber mittlerweile kaum noch vorstellen.

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