Kommentar:Hélènes Töchter

Bei den Winterspielen in Pyeongchang sind 42 Prozent der Athleten weiblich; im Sommer 2016 in Rio waren es immerhin schon 45 Prozent, Tendenz steigend. Beendet aber ist das Thema Frauen und Olympia erst, wenn man darüber nicht mehr reden muss.

Von Barbara Klimke

Die erste Olympiasiegerin kam aus dem Wasser. Jedoch stieg sie nicht wie Venus aus der Muschel, sondern aus einem Boot. Hélène de Pourtalès, eine in der Schweiz verheiratete Amerikanerin, schrieb sich mit ihrem Mann und ihren Neffen 1900 in Paris für die Segelwettbewerbe ein und führte auf der Seine die Jolle Lérina zum Sieg. Bei den Pariser Spielen war sie nicht allein: 17 Frauen traten an, im Golf, Segeln, Croquet und im Tennis. 1904 in St. Louis zielten die ersten sieben Bogenschützinnen auf die Scheibe, in bodenlangen Röcken.

Frauen und Olympia - olle Kamellen, könnte man folglich meinen, hätte sich der Wind nicht schnell wieder gedreht. Lange blieb das Programm auf wenige, auserwählte Sportarten mit hohem Sozialprestige beschränkt. Der Spiele-Gründer Pierre de Coubertin war kein Frauenfreund. Der Chauvinismus seiner Zeit hallte im Männerklub IOC bis in die 1920-Jahre nach, als Karl Ritter von Halt, erst Leichtathlet, später IOC-Mitglied, mit dem Motto "Der Kampf gebührt dem Mann, der Natur des Weibes ist er wesensfremd" die Abschaffung von "Damenleichtathletikmeisterschaften" verlangte. Derart ausgegrenzt, nahmen Hélènes Töchter die Sache selbst die Hand, indem sie die "Frauenweltspiele" von Monte Carlo 1921, 1922 und 1923 ausriefen - natürlich mit Leichtathletik im Mittelpunkt.

Wer die Athletinnen in Pyeongchang von Schanzen fliegen, über Pisten brettern, durch die Halfpipe schießen sieht, vergisst leicht, dass sie sich ihr Terrain nur Schritt für Schritt, oft gegen heftigen Widerstand erobern konnten. Mal wurden Argumente der Sittlichkeit angeführt, mal Gesundheitsbedenken, dann hieß es, die Männer müssten die Frauen vor sich selber schützen. Frauen-Skispringen ist erst seit 2014 olympisch, und welch eklatantes Missverhältnis noch zum Männer-Wettbewerb besteht, machten die Siegerinnen gleich nach der Hymne deutlich.

Auch heute, 118 Jahre nach der ersten weiblichen Olympiasiegerin, haben Hélènes Nachfolgerinnen noch keine Parität unter den fünf Ringen erreicht. Bei den Winterspielen in Pyeongchang sind 42 Prozent der Athleten weiblich; im Sommer 2016 in Rio waren es immerhin schon 45 Prozent, Tendenz steigend.

Es sei eine vordringliche Aufgabe, die Gender-Gleichheit bei Olympia voranzutreiben, hat IOC-Chef Thomas Bach am Dienstag erklärt. Lobenswerte Worte, aber sie hätten mehr Wirkung erzielt, hätte nicht eben jener Bach gleichzeitig das südkoreanische Frauen-Eishockeyteam diskreditiert: Der Auftrag, Sport mit Politik zu mischen und die eingespielte Mannschaft kurzfristig durch Zugänge aus dem Norden zu schwächen, erging nur an die Frauen - die Männer bleiben vom IOC-verordneten Eingriff in den Wettbewerb verschont.

Immerhin setzen nun erstmals die Frauen den Schlusspunkt unter die Spiele, mit dem Massenstartrennen der Langläuferinnen als letztem Wettbewerb. Das ist ein Zeichen. Beendet aber ist das Thema Frauen und Olympia erst, wenn man darüber nicht mehr reden muss.

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