Kommentar:Hauptsache Italien

Klaus Augenthaler und Thomas Häßler übernehmen unterklassige Trainerposten. Im großen Fußball ist für die meisten Weltmeister von 1990 kein Platz mehr.

Von Christof Kneer

Der Verein müsse sich "klare und realistische Ziele setzen", sagte der Mann, und wichtig sei natürlich auch, dass "die Ambitionen des Vereins auf Nachhaltigkeit ausgerichtet" seien. Respekt, kann man da nur sagen, genau so redet man im großen Fußball: Klare Ziele, aber bitte realistisch; Ambitionen, aber bitte nachhaltig.

Der Mann, der all diese super Sachen sagt, ist Jürgen Sommer von der SPD, Bürgermeister der Marktgemeinde Donaustauf nahe Regensburg. Er hat das alles aber nicht freiwillig gesagt, er wurde mit Mikrofongewalt dazu gezwungen, der Bayerische Rundfunk wollte das alles wissen. Jürgen Sommer von der SPD ist nämlich Bürgermeister einer Marktgemeinde, die über einen Fußball-Bezirksligisten verfügt, der - wie am Donnerstag verkündet wurde - ab Sommer von Klaus Augenthaler trainiert wird.

Klaus Augenthaler in der Bezirksliga Oberpfalz, das ist natürlich eine herzergreifende Geschichte, die aber spätestens seit vergangener Woche nicht mehr für sich alleine steht. In der vergangenen Woche gab der vermutlich ebenfalls recht nachhaltige Berliner Bezirksligist Club Italia Berlino die Verpflichtung des Trainers Thomas Häßler bekannt, wobei vom Regierenden Bürgermeister hierzu bislang keine Kommuniqués vorliegen, aber das kann natürlich noch kommen.

Übrigens: In der Bundesliga, also praktisch ganz oben, heißen die Trainer heute Schmidt, Schubert, Kramny, Nagelsmann und sogar Hasenhüttl.

Klaus Augenthaler und Thomas Häßler konnten besser kicken als die meisten aktuellen Bundesligatrainer zusammen genommen, und der von ihnen erspielte WM-Titel 1990 war so etwas wie die historische Abrundung der deutschen Wiedervereinigung. Und heute trainieren die Helden von Rom Bezirksligisten oder leihen Autohäusern ihr Gesicht, sie betreiben Fußballcamps oder lassen in ihren großen Namen kleine Kolumnen schreiben, sie werden Botschafter für Wettanbieter, hampeln durch Castingshows, amtieren als Losfee oder sind Lothar Matthäus. Das ist der Dank.

Die Helden von 1990 stammen aus einer Zeit, in der ein Kicker einfach der sein konnte, der er war. Die Menschen freuten sich, dass es ihn gab, auch wenn er "Mailand oder Madrid? Hauptsache Italien" sagte, niemand erwartete politisches Bewusstsein oder Botschaften auf Kurznachrichtendiensten. Klaus Augenthaler, so viel lässt sich ungeprüft behaupten, besaß keinen einzigen Follower, er war höchstens selber einer, er ist Rudi Völler mal so lange gefolgt, bis er ihn endlich anständig umsensen konnte.

Der Fußball und die 90er-Weltmeister: Das ist die traurige Geschichte eines Spiels, das sich - mit Ausnahmen wie Rudi Völler, Jürgen Klinsmann oder Stefan Reuter - ungerührt an seinen Helden vorbei entwickelt hat. Es war das historische Pech dieser großen Spieler, dass sie in eine Zeitenwende hineingerieten: Sie waren die letzten Vertreter einer Generation, die auf der Straße kickte und kein Rhetorikseminar brauchte, und kurz nach ihrem größten Erfolg begann die Zeit der Kommerzialisierung. In Mode kam die Generation Bierhoff, die den 90ern jetzt auch den letzten Trumpf genommen hat. Die von Oliver Bierhoff gemanagte Nationalelf ist unverschämterweise ebenfalls Weltmeister geworden.

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