Kommentar:Gemeinsamer Günther

Dreieinhalb Monate nach der Ankündigung sind alle Formalien finalisiert: Der TSV 1860 München hat Günther Gorenzel zum Geschäftsführer bestellt. Ausnahmsweise finden diese Personalie alle gleichermaßen spitze.

Von Philipp Schneider

Zugegeben, ein neuer Geschäftsführer wird nirgendwo auf der Welt einfach mal eben eingestellt. So ein Geschäftsführer-Findungsverfahren ist ein komplexer Vorgang. Es geht ja schon damit los, dass ein Geschäftsführer nicht eingestellt wird, sondern bestellt. Wer einen zum Geschäftsführer bestellt, der wägt seine Auswahl in der Regel gründlicher ab, als einer, der sich eine Pizza Quattro Stagioni kommen lässt. Und selbst wenn einer weiß, wen er bestellen möchte, dann sind in Unternehmen gewisse Formalitäten zu berücksichtigen, die beim Bestellvorgang einzuhalten sind. Selbstredend ist diese Hürde nirgendwo auf der Welt so hoch wie beim Fußball-Drittligisten TSV 1860 München.

Am Montag hat der Klub eine Pressemitteilung aus einem Genre verschickt, das er traditionell selten bedient. Es war eine Gute-Laune-Nachricht mit einer vor Zufriedenheit brüllenden Überschrift in Versalien: "GÜNTHER GORENZEL ZUM GESCHÄFTSFÜHRER BESTELLT". Gorenzel - schon vorher verantwortlich für den Leistungssport bei Sechzig, aber eben nicht auf Geschäftsführer-Ebene - ist also ab sofort dem für das Kaufmännische zuständigen Geschäftsführer Michael Scharold gleichgestellt. "Darauf haben sich die beiden Gesellschafter, HAM International Ltd. (die Firma von Investor Hasan Ismaik, d. Red.) und der TSV München von 1860 e.V., verständigt", heißt es in der Mitteilung. Und, siehe da: "Alle Formalien der Berufung zum Geschäftsführer wurden nun finalisiert."

Das animiert zum Applaudieren, obschon die Finalisierung etwas gedauert hat. Dreieinhalb Monate sind vergangen, seit der Aufsichtsrat der Profifußballfirma eine Mitteilung verschickte, wonach Gorenzel bestellt werden solle. Alles sei so gut wie fix! Allerdings mussten noch ein paar Gremien zustimmen. Und da bei 1860 München die Gesellschafter gegeneinander arbeiten und nicht miteinander (was bloß keiner laut aussprechen darf), weil also Kampf aufs Messer gilt, lag die Personalie Gorenzel, die ja ausnahmsweise alle gleichermaßen spitze finden, für ein paar Wochen unbearbeitet auf den Schreibtischen. Der überwiegend von Gegnern von Investor Ismaik bevölkerte Verwaltungsrat des Muttervereins musste zustimmen; der mit je zwei Abgesandten von e.V. und Ismaik besetzte Beirat des Profifußballfirma ebenfalls. Und weil sich eine Einigung bei 1860 nicht so einfach in Gesprächen erzielen lässt, wurde ein sogenannter Umlaufbeschluss benötigt. Zieht sich dann natürlich alles etwas.

Aber jetzt ist Gorenzel endlich Geschäftsführer, und er wird sich mit großem Elan auf jene Aufgabe stürzen, die er schon vorher hatte: die Zusammenstellung und Optimierung eines Kaders mit geringen finanziellen Mitteln. Auf dieses Szenario läuft es für Gorenzel hinaus, nachdem sich die Vereinsvertreter zuletzt klipp und klar für eine sportliche Zukunft ohne Fremdmittel von Ismaik entschieden haben. Der Jordanier hingegen will seinem Klub ganz gerne weiter Geld leihen. Nur lässt man ihn nicht mehr.

"Ich freue mich, dass mir beide Gesellschafter diese große Verantwortung übertragen haben", wird Gorenzel in der Mitteilung zitiert. Er ist jetzt sozusagen der kleinste gemeinsame Günther von 1860 München. Groß ist seine Verantwortung in der Tat. Wenngleich eher undankbar.

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