Kommentar:Festhalten und genießen

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Ob Roger Federer, inzwischen 35, nach einem halben Jahr Pause wieder zur alten Leichtigkeit wiederfindet? (Foto: ZUMA Press/imago)

Bei den Australian Open in Melbourne sind erstmals seit einem Jahr die alternden Tennis-Stars um Roger Federer und Rafael Nadal gemeinsam am Start - vielleicht zum letzten Mal.

Von Gerald Kleffmann

Musikfreunde kennen das. Es gab früher viele erstklassige Opernsänger, aber als die Herren Plácido Domingo, Luciano Pavarotti und José Carreras geschlossen die Bühne betraten, war das stets die Erleuchtung. Sie waren in dieser Kombination das Beste der Branche, der Maßstab, das Original, die Veredelung jeder Bühne. Wenn die Rolling Stones noch heute auftreten, will man auch keine Fälschung sehen, keinen glatt gebügelten Doppelgänger von Keith Richards, und selbst wenn Mick Jagger den falschen Ton mal trifft, ist das egal.

Daher wird es auch unerheblich sein, ob Roger Federer nach einem halben Jahr Pause nicht jeden Angriff in gewohnter Leichtigkeit abschließen wird. Ob Rafael Nadal seine Peitschenvorhand oft genug zur Entfaltung wird bringen können. Hauptsache, sie sind hier, bei den Australian Open. Allein mit ihrer Präsenz verleihen sie dem Turnier eine Besonderheit, die es exakt zwölf Monate lange im Welttennis nicht gab: Die großen Vier (neben Federer und Nadal noch Novak Djokovic und Andy Murray) treten erstmals wieder zusammen bei einem Grand-Slam-Event an. Vorhang auf für das ganz große Tenniskino.

Nachdem in den vergangenen zwei, drei Jahren der Begriff der "Supercoaches" die Runde gemacht hatte, als frühere Größen wie Boris Becker, Stefan Edberg, Michael Chang und zuletzt sogar John McEnroe als Trainer zurückkehrten, steht 2017 definitiv unter dem Zeichen der "Superspieler". Man darf dieses Motto gerne auf das ganze Jahr ausdehnen, und auch die Frauen mit einbeziehen. Ende April kehrt Maria Scharapowa nach ihrer verkürzten Dopingsperre auf die Tour zurück, und damit wären dann tatsächlich alle großen Namen mal wieder vollzählig, die das gegenwärtige Tennis an Prominenz zu bieten hat. Vielleicht wird die Spitze in dieser Konstellation auch 2018 noch so besetzt sein. Aber für den Fall, dass es anders kommt - und das ist wahrscheinlicher -, sollte man schon eines machen als Tennis-Afficionado: 2017 festhalten und genießen.

Serena Williams macht sich rar

Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass auch die Big Four altern und ihre Zeit benötigen, um sich fit zurückzumelden. Nadal machte überdies - bezeichnend für sein Älterwerden - mit zwei Nachrichten während seiner Reha-Phase auf sich aufmerksam: Er eröffnete seine Akademie auf Mallorca. Und er unterzog sich einer Haartransplantation. Serena Williams wiederum redet zwar genauso wenig wie Federer vom Karriereende, sie hat immer gesagt, sie denke nicht daran. Aber sie hat sich nun überraschend verlobt, und wie schnell das mit dem Rücktritt dann doch gehen kann, hat ja ihre Kollegin Ana Ivanovic vorgeführt. Zudem bestätigte Williams am Samstag sogar wörtlich den Eindruck, den sie schon 2016 hinterließ: Sie ist nicht sonderlich erpicht darauf, besonders viele Turniere zu spielen.

Ja, irgendjemand, der seit Jahrzehnten das Tennis mit entscheidend geprägt hat, wird den Anfang machen und sich verabschieden. Serena Williams, wie Federer inzwischen 35, ist sicherlich eine der ersten Kandidatinnen für diesen Schritt.

Noch ist es aber nicht so weit, und daher fallen die Australian Open vor allem mit einer speziellen Note auf: Selten gab es allein in der ersten Runde derart große Altersunterschiede, wie es sie nun geben wird. Serena Wiliams, 35, trifft auf die Schweizerin Belinda Bencic, 19. Ihre Schwester Venus Williams, 36, auf die Ukrainerin Kateryna Kozlowa, 22. Der Spanier David Ferrer, 34, misst sich mit dem Australier Omar Jasika, 19. Der Luxemburger Gilles Muller, 34, mit dem US-Talent Taylor Fritz, 19. Der Tscheche Radek Stepanek hat sich mit 38 auch noch fürs Hauptfeld qualifiziert. Einerseits. Andererseits: Zum ersten Mal überhaupt nimmt sogar ein Profi an einem Grand-Slam-Turnier teil, der in diesem Jahrtausend geboren wurde. Destanee Aiava aus Melbourne hat sich fürs Hauptfeld qualifiziert und durfte dieser Tage auch mit Serena Williams trainieren. Sie wurde im Mai 2000 geboren. Da war Serena Williams bereits US-Open-Champion.

© SZ vom 15.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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