Kommentar:Falsches Signal

Eine neue Gewerkschaft bei den männlichen Profis? Wenn Tennis eines nicht braucht, dann noch eine Vereinigung mit noch mehr Interessen.

Von Jürgen Schmieder

Natürlich ist das erst einmal urkomisch, dass Novak Djokovic und Vasek Pospisil die Vereinigung Professional Tennis Players Association (PTPA) gegründet haben, weil sie der Meinung sind, dass es mit der Association of Tennis Professionals (ATP) keinesfalls so weitergehen könne. Das erinnert an den Moment im Monty-Python-Film "Das Leben des Brian", als ein Mitglied der Volksfront von Judäa erklärt, dass er nur eines mehr hasse als Römer: die Mistkerle von der judäischen Volksfront.

Die Namensgebung ist aber auch das einzig Komische an dieser Sache, der Rest ist ernst: Das Männertennis steht zu Beginn der US Open vor einer Zerreißprobe, 63 Profis stellten sich in der Arena in New York demonstrativ hinter Djokovic, scheinbar bereit, die Wände der Arena zu beschmieren, wie es Brian im Film getan hat - nur statt "Römer, geht nach Hause" eben "ATP, verzieh dich!".

Djokovic und Pospisil haben ihre Pläne in einem Schreiben an die Spieler dargelegt: Es geht um die Verteilung von Preisgeld, um Altersvorsorge, Versicherung, Reisekosten, Zusatzleistungen bei Turnieren, disziplinarische Maßnahmen. Das sind zweifelsohne bedeutsame Punkte, gerade in einer Disziplin, deren Akteure nicht bei Vereinen angestellt oder in einer Gewerkschaft vereint sind, sondern als Einzelunternehmer agieren. Die ATP ist ein Zusammenschluss aus Spielern und Veranstaltern.

Allerdings gibt es im Tennis bereits die ATP und das Pendant WTA für die Frauen, darüber den Weltverband ITF. Jedes Grand-Slam-Turnier hat jeweils ein eigenes Regelwerk, und dann gibt es noch Schaukämpfe wie den Laver Cup von Roger Federer. Wenn Tennis eines nicht braucht, dann noch eine Vereinigung mit noch mehr Interessen, zumal Djokovic und Pospisil 50 Prozent aller Profis ausschließen: Die PTPA will sich nur um Belange der Männer kümmern.

Roger Federer und Rafael Nadal haben mit den verbliebenen Mitgliedern des ATP-Spielerrats einen Brief verfasst, in dem wichtige Fragen gestellt werden, wie zum Beispiel, ob es wirklich sinnvoll sei, sich gegen die Veranstalter zu stellen. Auf Twitter sagten sie deutlicher, wovor sie wirklich Angst haben. "Es ist Zeit für Eintracht und nicht für Abspaltung", schrieb Nadal. Federer zitierte den Eintrag und ergänzte: "Es ist maßgeblich, dass wir als Sportler und als Sport Einheit zeigen." Die unmissverständliche Botschaft: Sie halten Djokovic und Pospisil für Spalter.

Djokovic ist 2020 in 23 Partien unbesiegt, auch deshalb, weil er ist, was ein Einzelsportler sein muss, will er erfolgreich sein: ein Egoist. Er will bei den US Open seinen 18. Grand-Slam-Titel gewinnen, er hat mehr Begleitpersonal und eine Unterkunft abseits der offiziellen Turnier-Hotels durchgesetzt. Das ist in Ordnung für jemanden, der einzig seine Interessen vertreten muss. Nur hat Djokovic im Sommer die Adria Tour inklusive Partys veranstaltet, bei der sich Spieler mit dem Coronavirus infizierten. Er weigert sich noch immer, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Er würde es wieder tun, sagte er der New York Times.

Die Warnungen von Federer und Nadal sind deshalb eine Grundsatzfrage an jene 63 Profis, die sich zum Foto in der New Yorker Arena versammelten: Wollt ihr wirklich einem Mann folgen, der in den vergangenen Monaten bewiesen hat, dass ihn das Wohl der Allgemeinheit nur kümmert, wenn es seinen persönlichen Interessen dient? Ihre Antwort darauf ist spätestens seit Samstag bekannt.

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