Kommentar:Experiment mit Frist

Jürgen Klinsmann hat sich mit dem DFB auf einen Vertrag geeinigt, und das interessanteste sind nicht Klauseln, Garantien oder das Gehalt, sondern die Dauer: Man hat eine Zusammenarbeit lediglich bis zum Jahr 2006 verabredet.

Von Christian Zaschke

Jürgen Klinsmann hat schon immer interessante Verträge abgeschlossen. Beim FC Bayern waren sie seinerzeit erstaunt, wie hart der Schwabe verhandelte, und die Boulevardpresse machte aus der Härte gar Geldgier, obwohl es natürlich das gute Recht eines jeden Fußballprofis ist, in Verhandlungen das für ihn bestmögliche Ergebnis erzielen zu wollen.

Zudem hatte Klinsmann sich eine Klausel einbauen lassen, die besagte, dass er ablösefrei wechseln könne. Das war geschickt, denn als es ihm 1997 bei den Bayern nicht mehr gefiel, ging er zu Sampdoria Genua, wo es ihm allerdings rasch auch nicht mehr gefiel. Aber er hatte einen guten Vertrag ausgehandelt, der es ihm ermöglichte, nach Tottenham zu wechseln, wo er schon einmal gespielt hatte.

In Genua hatte er sich mit Trainer Vujadin Bosko verkracht, der ihn nicht spielen ließ. Bei den Verhandlungen mit Tottenham ließ sich Klinsmann also etwas Unmögliches in den Vertrag schreiben, eine Stammplatzgarantie. Kein Zweifel, der Mann kann verhandeln.

Nun hat er sich mit dem Deutschen Fußball-Bund auf einen Vertrag geeinigt, und das interessanteste sind nicht Klauseln, Garantien oder das Gehalt, sondern die Dauer: Man hat eine Zusammenarbeit lediglich bis zum Jahr 2006 verabredet.

Das ist deshalb interessant, weil Klinsmann in der derzeitigen Lage des DFB sicherlich einen Vertrag mit längerer Laufzeit hätte aushandeln können, problemlos sogar, aber ganz offenkundig wollte er das nicht.

Ein länger laufender Vertrag hätte für Klinsmann den Vorteil gehabt, dass er bei einem Scheitern 2006 und der dann unumgänglichen Kündigung eine Abfindung hätte kassieren können. Auf diese persönliche Sicherung hat er verzichtet. Das ist das eine.

Das Modell ist ein Experiment

Das andere Zeichen, das ein derart befristeter Vertrag bedeutet, ist eines, das für beide Seiten gilt, für Klinsmann und den DFB: Das nun gefundene Modell ist ein Experiment.

Dem erfahrenen und etablierten Trainer Ottmar Hitzfeld hatte der DFB einen langfristigen Vertrag angeboten. Hitzfeld hätte kein Risiko dargestellt. Der unternehmungslustige Klinsmann möchte die Struktur im Verband verändern, er will mit einem großen Stab arbeiten, er will keinen Stein auf dem anderen lassen.

Kurz, er verstößt gegen eine der goldenen Regeln der Bürokratie: Das haben wir noch nie so gemacht. In der Not ist der bürokratisch organisierte DFB bereit, dieses Risiko einzugehen, sich zu öffnen und etwas zu versuchen. Und Klinsmann ist bereit, diesen Versuch zu gestalten.

Beide Seiten wissen nicht, was bei dem Experiment herauskommt, und so haben sie sich nun darauf geeinigt, einen Maßstab zur Beurteilung zu finden. Dieser ist der Erfolg bei der WM2006 in Deutschland.

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