Kommentar:Eskalation mit Ansage

Lesezeit: 2 min

Die Mitgliederversammlung des FC Bayern war noch keine Abwahl, aber ein Denkzettel für Präsident Herbert Hainer. (Foto: Christof Stache/AFP)

Wenn der FC Bayern seine Mitglieder behandelt, wie er sie behandelt, muss sich der Klub nicht wundern, wenn ihm das Thema Katar um die Ohren fliegt.

von Martin Schneider

Das Thema Katar ist dem FC Bayern nun also um die Ohren geflogen. Und daran trägt der Klub große Mitschuld. Nicht nur, weil er den Sponsorenvertrag mit Qatar Airways geschlossen hätte, das ist ja schon seit 2018 der Fall. Sondern weil die Verantwortlichen einer Debatte darüber ausweichen, sie teilweise aktiv abwürgen. Und wenn das wie bei der Jahreshauptversammlung des Vereins auf offener Bühne passiert, bekommt man die Quittung.

Denn es war vor allem der Umgang mit dem Thema, der zur Eskalation führte. Oliver Kahn, Vorstandsvorsitzender der AG, brachte es fertig, das Wort "Katar" in seiner ersten Rede noch nicht mal zu benutzen - obwohl absolut klar war, dass es das große Reizthema des Abends werden würde. Herbert Hainer, Präsident des Vereins, verwies in seiner Rede hauptsächlich darauf, dass die Debatte sachlich zu führen sei, und implizierte damit, dass sie vorher unsachlich geführt worden sei - was im Kern nicht der Fall war. Wenn dann das Mitglied Michael Ott, dessen Antrag zur baldigen Beendigung des Vertrages mit Qatar Airways Ausgangspunkt der aktuellen Kontroverse war, auf der Bühne gegängelt, vertröstet, ja teilweise herablassend behandelt wird - dann stehen Aussagen und Taten des FC Bayern in einem krassen Gegensatz. Man kann nicht das eigene Katar-Engagement mit Dialog rechtfertigen und dann den Dialog in der Mitgliederversammlung weitgehend verweigern.

Ott, der später übrigens nicht mehr dazu sprechen durfte, hatte den Antrag fristgerecht eingereicht, bekam dann keine Rückmeldung vom Verein, ob er zugelassen wird, und ging den Weg über die Gerichte. Unmittelbar vor der Veranstaltung entschied das Landgericht, dass die Mitgliederversammlung für den Sachverhalt nicht zuständig sei. Sponsorenverträge schließt der Vorstand der AG.

Nun muss man auch als kritisches Mitglied so eine Entscheidung des Landgerichts akzeptieren. Aber die Frage ist sowieso nur am Rande eine juristische. Es geht vielmehr darum, ob der FC Bayern Stimmen seiner Mitglieder ernst nimmt oder wenigstens den Eindruck erweckt, dass er das tut. Zu spät sagte Kahn, dass man das Thema mitnehme und man immer Dinge besser machen könne.

Es kann gut sein, dass bei der Eskalation eine Rolle spielte, dass die Veranstaltung unter strengen Hygieneauflagen stattfand, sodass hauptsächlich diejenigen in die Halle kamen, die das Thema Katar kritisch sehen. Kann sein, dass sich bei 5000 Mitgliedern im Saal ein anderes Stimmungsbild ergeben hätte als bei 780, wie es Vizepräsident Dieter Mayer andeutete. Aber das spielt im Ergebnis keine Rolle. Die Mitgliederversammlung ist ein Beschlussgremium des Vereins. Wer da ist, ist da und bestimmt.

Und wenn diejenigen, die bestimmen, so behandelt werden, wie sie behandelt wurden - dann muss man sich nicht wundern, wenn ein eigener Antrag auf Satzungsänderung krachend durchfällt. Als ein Mitglied einen Antrag stellte, dass der Klub sich zum Respekt gegenüber Menschenrechten bekennen und sich für deren Achtung auch ausdrücklich einsetzen solle, stimmte die Führungsetage dagegen. Mutmaßlich aus Trotz. Auch im eigenen Antrag stand die Achtung der Menschenrechte. So ein Bild muss erst mal wieder eingefangen werden.

Um das zu tun, muss der FC Bayern dringend die eigene Kommunikationsstrategie beim Thema Katar hinterfragen. Präsidium und Vorstand verlassen die Basketball-Halle jedenfalls mit Schrammen. "Hainer raus"- und "Vorstand raus"-Rufe sind noch lange keine Abwahl, sie sind nicht unbedingt repräsentativ. Aber ignorieren sollte sie der Verein vielleicht nicht. Diese Taktik hat sich als kontraproduktiv erwiesen.

© SZ vom 27.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: