Kommentar:Ende einer Ära?

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Die Ära Wildmoser ist vorbei - zumindest ist sie das auf dem Papier.

Von Thomas Kistner

Allerletzte Zweifel daran, dass Karl-Heinz senior für den TSV 1860 nicht mehr tragbar war, hatten die Bilder der vergangenen Tage ausgelöscht. Sie zeigten Wildmoser in Reinformat: herrisch, hemdsärmelig, selbstgerecht. Kritik? Die ließ er abperlen.

Die Stadionaffäre? Ein Lausbubenstreich, soll der Heinzi ruhig ein paar Tage dafür brummen. Er attackierte Beckenbauer und Rummenigge, er ignorierte das Rechtsempfinden. Womöglich dachte er ja, durch seinen medialen Kreuzzug Anhänger mobilisieren zu können, im Klub und in der Öffentlichkeit. Am Ende war die raue Wirklichkeit stärker - Wildmoser provozierte mit den verblasenen Auftritten das Gegenteil. Selbst innige Anhänger mussten begreifen, dass das System des Patriarchen beendet ist. Eine andere Konsequenz konnte es nicht geben.

Dass das Strafverfahren gegen Wildmoser läuft und seine Rolle im Bestechungsfall um das neue Stadion noch längst nicht durchleuchtet ist, spielte dabei gar keine Rolle. Seine Verquickung in den Skandal war Belastung genug. Für den Klub, der ja nicht in der Provinzklasse dümpelt, sondern im Profifußball mitmischt. Für München, das einem der spektakulärsten Bauprojekte der Stadtgeschichte entgegenfiebert. Und, so hoch darf man die Affäre hängen, für Deutschland.

WM in zwei Jahren

In zwei Jahren findet in München die WM-Eröffnung statt, schon wirft der Stadionskandal trübes Licht aufs Gastgeberland. Hätte Wildmoser nach diesen Vorfällen noch die Republik repräsentiert, wäre das ein beispielloses PR-Desaster geworden.

Fraglich nur, ob der Führungswechsel bei 1860 nun tatsächlich die von der Politik geforderte und von vielen Anhängern ersehnte Chance mit sich bringt, den Verein nach zwölf Jahren Gutsherren-Art auf demokratische Geleise zu verlegen. Allerlei Kompetenzen könnten ja neu besetzt werden, mit Experten, die Fußball und Geschäft kennen - nicht aber mit alten Veteranen, die der jüngsten Vergangenheit nachtrauern.

Insofern gilt es, Wildmosers Seilschaften zu kappen - ob dies unter dem neuen Klubchef Karl Auer gelingen wird, einem Großmetzger, der sich nach der Wahl gleich selbst brav der Loyalität zum alten Paten bezichtigt hat, bleibt abzuwarten. Es wird sehr genau darauf zu achten sein, ob die Wildmoser-Ära wirklich zu Ende gegangen ist - oder ob die lange geplante dynastische Erbfolge nur in einem anderen Zweig fortgesetzt wird.

© SZ v. 16.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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