Kommentar:Ein Jahr, zwei Entscheidungen

Lesezeit: 2 min

2016 werden im Deutschen Olympischen Sportbund wichtige Weichen gestellt. Gefragt ist jetzt vor allem der Präsident.

Von Johannes Aumüller

Jedes Jahr im Januar kommt der deutsche Sport im Frankfurter Römer zu einer gemütlichen Runde zusammen. Er trifft sich im Kaisersaal des Hauses, an der Wand hängen die Gemälde der mittelalterlichen Regenten, es gibt Auszeichnungen für die besten Sport-Eliteschüler des Landes und nette Neujahrsgrüße. Einiges war auch beim aktuellen Empfang am Montag wieder so, und dennoch ist die Grundstimmung im deutschen Sport von Gemütlichkeit weit entfernt. Das Jahr 2016 ist auf mindestens zwei Ebenen ein Jahr, in dem sich für ihn viel entscheidet.

DOSB-Chef Hörmann gibt ein ambivalentes Bild ab

Die erste und maßgebliche Ebene ist sein Umgang mit der großen Glaubwürdigkeitskrise: Skandale von Fußball über Leichtathletik bis Tennis, Korruption, Spielmanipulation, Doping, alles geballt in bisher nicht bekannter Dimension. Ob der deutsche Sport weiß, wie er vernünftig damit umzugehen hat? Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), gibt - wie so oft - ein ambivalentes Bild ab. Einerseits sagt er, dass der Sport von innen seine Probleme nicht mehr lösen könne, womit er um Hilfe von außen bittet. Das ist ein ebenso erfreuliches wie seltenes Eingeständnis eines Funktionärs.

Andererseits irritiert Hörmann. So drängt er angesichts der Skandale auf mehr Deutsche in internationalen Gremien - als ließe sich das Fehlverhalten durch einen Reisepass lösen und verspreche ein deutscher Funktionär per se bedingungslose Sauberkeit. Aber wer steht dem globalen Sport als Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) noch einmal vor? Thomas Bach, ein Deutscher. Hörmann empfiehlt auch im Anti-Doping-Kampf das deutsche Modell als beispielhaft unabhängig und nachahmenswert - dabei gehört zum Aufsichtsrat der nationalen Anti-Doping-Agentur unter anderem Hörmanns eigener DOSB-Vorstandschef Michael Vesper.

Wer immer nur Medaillen fordert, erhöht das Doping-Risiko

Die zweite entscheidende Ebene des Jahres 2016 betrifft die Neuausrichtung des Leistungssports. Schon seit Längerem diskutieren der DOSB und das Bundesinnenministerium über die künftigen Strukturen; es geht nicht zuletzt um die Frage, welcher Verband und welche Athleten wie viel Fördergeld erhalten. Die Analysephase sei abgeschlossen, heißt es jetzt - bald geht es ans Konkrete. Nach den Sommerspielen in Rio soll ein Konzept stehen.

Die große Leitlinie ist klar: Künftig sollen mehr Olympia-Medaillen herausspringen. Manche Sportart, in der es gerade nicht so rosig aussieht, fürchtet daher um ihr Fortbestehen. Es ist richtig, dass sich Sport und Ministerium an eine Generalüberholung des Systems machen, weil es in der Tat an vielen Stellen klemmt. Aber es wäre fatal für die deutsche Sportkultur, nur noch auf die Disziplinen zu setzen, die eine hohe Medaillenausbeute versprechen. Auch eine gewisse Förderung der Nischen wie Wasserball oder Curling muss sein.

Im Übrigen hängen die beiden Ebenen zusammen. Wer sich nur auf Medaillen konzentriert, erhöht das Risiko, dass es zu Doping und anderen Dingen kommt, welche die Glaubwürdigkeitskrise des Sports verstärken.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: