Kommentar:Eichins Kassensturz

Bremen steuert wohl doch auf die Trainerfrage zu. Denn Werder fehlen nach Einschätzung des Sportchefs "fünf, sechs Punkte" zum Soll.

Von JÖRG MARWEDEL

Nach dem 3:1 konnten es die gefrusteten HSV-Fans den Bremern heimzahlen: "Zweite Liga, Werder ist dabei", tönte es aus dem Gäste-Block. Die Hamburger Anhänger hatten seit fast neun Jahren keinen Bundesliga-Sieg ihres Klubs im Weserstadion mehr gesehen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass das mit der zweiten Liga bei den Bremern tatsächlich passieren wird, ist derzeit ähnlich hoch wie in den vergangenen Jahren beim HSV - da hatten die Werder-Fans den hanseatischen Rivalen mit dem selben Spruch genervt. Hamburg rettete sich zweimal nur mit Hilfe des Fußballgotts in der Relegation.

Er müsse "die Ruhe bewahren, damit die anderen hier nicht durchdrehen", sagte Werder-Geschäftsführer Thomas Eichin nach der fünften Heimpleite in Serie. Natürlich werde er "keine Trainerdiskussion anfangen" - auch dann nicht, wenn am kommenden Sonntag beim direkten Konkurrenten VfB Stuttgart verloren werde. Aber natürlich weiß Eichin, dass bald der Erfolg zurückkehren muss. Nach Abschluss der Hinrunde werde er "ein Fazit" ziehen und alles durchleuchten, sagte er. Dabei wird die Trainerfrage nicht auszuklammern sein, denn Werder fehlen nach Einschätzung des Sportchefs "fünf, sechs Punkte" zum Soll. Würde Eichin doch den Daumen für Viktor Skripnik senken, hätte der kühle Manager in knapp drei Jahren nach Thomas Schaaf und Robin Dutt den dritten Übungsleiter entlassen.

So weit ist es noch nicht. Aber Eichin wird offenbar zunehmend klar, dass sein Trainergespann - Skripnik und Torsten Frings - deutlich weniger Erfahrung hat als etwa der Hamburger "Retter" Bruno Labbadia; und da nützt den beiden auch ihre lange Werder-Geschichte nichts. Ähnliches gilt derzeit für den verehrten Claudio Pizarro, 37, der insgeheim wohl noch immer in der fußballerischen Welt des FC Bayern verkehrt, wo eher Hackentricks statt Grätschen angesagt sind. Das aber passt selten zum Abstiegskampf. Und wie soll man mit dem verkrampften Spielgestalter Zlatko Junuzovic umgehen, der keinen Freistoß mehr aufs Tor bringt, obwohl er vergangene Saison auf diese Weise fünf direkte Treffer erzielt hatte?

Vergangenes Jahr hatte Werder in der Hinrunde 17 Punkte gesammelt, nachdem Neuling Skripnik das Team aus der Krise geholt hatte. Nun sind es 13 (bei drei ausstehenden Spielen). Unter dem Strich hat der bremische Ukrainer das Team nicht wirklich vorangebracht. Skripniks Hoffnung ist jetzt, dass "unsere Geschäftsführung und unsere Scouts schon Pläne haben" - für passende Verstärkungen im Winter. Die Frage ist nur: mit welchem Geld?

Auch im vergangenen Geschäftsjahr hat der Verein trotz seines Sparkurses wieder 5,9 Millionen Euro Minus gemacht. Der HSV steht zumindest auf diesem Sektor (zweistelliges Minus) noch hinter den Bremern. Aber das nützt dem SV Werder gerade gar nichts.

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