FC Bayern:Die Krux mit der Schelte

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Mit ihrer Medienkritik versuchten die Bayern-Bosse vor dem Wochenende Ruhe nach den Niederlagen zu erzwingen. Der Nachteil: Ihr Rundumschlag kam vielleicht viel zu früh in dieser rauen Saison.

Kommentar von Martin Schneider

Hat Mats Hummels diesen steilen Ball vor dem 1:0 gespielt, weil er dachte: Toll, der Vorstand steht hinter mir? Hat Thiago den Ball von Mats Hummels durchgelassen, weil er dachte: Gut, dass die Aufmerksamkeit weg von der Mannschaft ist? Und hat Robert Lewandowski den von Hummels gespielten und von Thiago durchgelassenen Ball durch die Beine von Koen Casteels ins Tor geschoben, weil ihm bewusst war: Endlich lässt sich der Klub Kinder-Umfragen des Fernsehsenders n-tv nicht mehr gefallen?

Alle diese Fragen sind natürlich in dieser Detailtiefe absurd. Aber eine Deutungsebene darüber, nämlich ob und wie sich diese denkwürdige Pressekonferenz von Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß und Hasan Salihamidzic auf die sportliche Leistung der Mannschaft ausgewirkt hat, ist die Frage wiederum durchaus interessant. Denn um die sportliche Leistung sollte es ja am Ende des Tages (frei nach Karl-Heinz Rummenigge) immer gehen und auch, wenn die vollständige Motivlage zu diesem kuriosen Rundumschlag nicht in Gänze klar ist, so kann man unterstellen, dass die Führungsetage dem Team helfen wollte.

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Unabhängig von Stil und Inhalt (ob zum Beispiel die von Hoeneß mit heiligem Untergangsernst angeprangerte Kinder-Umfrage des Senders n-tv diese Aufregung wert ist, mag jeder nach Ansicht des Beitrages selbst beurteilen) verwunderte der Zeitpunkt dieser Kanonade. Die Aufregung um Bayern und Nationalmannschaft hatte sich eigentlich schon gelegt, alle Welt wartete darauf, dass die Münchner gegen Wolfsburg, Athen, Mainz und Rödinghausen wieder in die Spur kommen. Aber dann: Wumms. Der größtmögliche Schlag aus dem Nichts, voller Gegenangriff gegen alle, die irgendwie gegen einen sein könnten.

Der Gedanke dahinter ist nicht neu: Wenn der Fokus auf der Vorstandsetage liegt, dann ist für ein missglücktes Rauslaufen von Manuel Neuer weniger Platz in Schlagzeilen und Fernsehbeiträgen, dann interessiert ein weggefeuertes Trainingsleibchen oder eine gelb-rote Karte von Arjen Robben weniger stark als sonst - so jedenfalls das Kalkül.

Der FC Bayern hat nun 3:1 gegen den VfL Wolfsburg gewonnen und man kann die Frage nach dem Nutzen mit einem klaren "Kann schon sein, dass es was gebracht hat" beantworten. Der einzige Zeuge, der etwas Belastbares dazu sagte, war Joshua Kimmich ("War für unsere Gefühlswelt wichtig, dass wir zusammenstehen."). Der Rest schwieg, wie zum Beispiel Trainer Kovac ("Möchte mich auf das Sportliche konzentrieren."), Thomas Müller ("wichtig, dass wir nicht immer unsere Meinung nach außen tragen") oder Mats Hummels ("Dazu sag' ich nix") teilweise ausdrücklich. Die Antwort "Kann schon sein, dass Bayern auch ohne diese Pressekonferenz gewonnen hätte", ist wohl genauso legitim.

Worüber man aber nicht spekulieren braucht, ist die Tatsache, dass die "Bosse", wie Hoeneß und Rummenigge gemeinhin genannt werden, eine ihrer stärksten strategischen Karten schon sehr früh in der Saison gespielt haben.

Man kann so eine Schelte nicht alle drei Wochen machen

Denn die Krux an so einer fundamentalen Schelte (oder einem "Aufruf zur Geschlossenheit", je nach Sichtweise) ist ja, dass man sowas nicht alle drei Wochen machen kann. Selbst wenn der FC Bayern jetzt wieder auf dem Athen-Mainz-Rödinghausen-Strom ergebnistechnisch in ruhigere Gewässer kommt, ist es zumindest nicht unwahrscheinlich, dass es trotzdem eine Saison auf rauer oder rauerer See wird. Dass der Kader im Schnitt der kleinste (23 Spieler) und älteste der Bundesliga ist (27,3 Jahre), dass Schlüsselspieler (Robben, Ribéry) noch älter sind, dass sie im Laufe der Saison nicht jünger werden, dass dadurch einfach rein statistisch die Verletzungsanfälligkeit höher ist, das sind einfach wahre Fakten (frei nach Karl-Heinz Rummenigge), die man auch mit drei Pressekonferenzen und fünf Verweisen aufs Grundgesetz nicht ändern wird.

Zudem scheint der stärkste Gegner Borussia Dortmund in dieser Saison ein bisschen stärker zu sein als in der vergangenen. Der BVB hat jedenfalls erneut gewonnen, der Rückstand in der Tabelle beträgt weiter vier Punkte und 13 Tore. Am 10. November spielen die beiden Klubs gegeneinander. Es wäre der nächste entscheidende Zeitpunkt, an dem man sich in der Vorstandsetage des FC Bayern wieder zusammensetzen könnte und entscheiden muss, ob die strategische Spielkarte "Geschlossenheit herstellen" gereicht hat - oder was der nächststärkere Schritt sein könnte.

© SZ vom 21.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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