Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Die abhängigen Doping-Jäger

Polens Sportminister Witold Banka, der designierte Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur, beteuert die Unabhängigkeit gegenüber dem organisierten Sport. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Von Johannes Aumüller

Es war ein wirklich ulkiger Plan, der in den Reihen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) kursierte. 20 Jahre ist es her, dass sich der organisierte Sport zur Gründung einer Welt-Anti-Doping-Agentur gezwungen sah - weil die Affären ausuferten und staatliche Stellen Druck machten. Und in dieser Diskussion gab es tatsächlich die Idee, dass den Vorsitz der neuen Institution doch Juan Antonio Samaranch übernehmen könne, damals IOC-Präsident und damit Vorvorgänger des heutigen Chefolympiers Thomas Bach.

Ganz so dreist konnte es dann selbst das IOC nicht treiben. Aber selbstredend stellte der Sport sicher, dass er die Organisation fest im Griff hatte und diesen Zugriff bis heute wahrt. Der Gründungsboss der Wada war IOC-Mitglied, in den vergangenen fünf Jahren saß ihr wieder ein IOC-Mitglied vor. Und wenn es zum Jahresende zur Neuwahl kommt, rückt in Person des polnischen Sportministers Witold Banka zwar turnusgemäß ein Politiker an die Spitze. Aber der Einfluss des Sports ist immer noch groß: Er stellt fast ein halbes Dutzend Mitglieder im Wada-Exekutivkomitee, zudem wählt das IOC auch den Vizepräsidenten aus.

Diese Nähe zum organisierten Sport und die mangelnde Unabhängigkeit liegen bis heute im Erbgut der Wada. Sie ist daher keine wirkliche Anti-Doping-Organisation, die es mit dem ausschweifenden Betrug im globalen Sport nachhaltig aufnehmen kann, sondern die Alibi-Einrichtung einer Sportwelt, die gerne einen Anti-Doping-Kampf suggeriert. Besonders niederschmetternd zeigte sich das immer wieder in Russlands Staatsdoping-Affäre. Da reagierte die Agentur erst zu spät, dann zwischenzeitlich recht forsch - schwenkte dann aber auf seltsame Weise wieder auf den Russland-freundlichen Kurs des IOC ein. Viele Athleten reagierten empört, ihre Wada-Vertreterin, Kanadas Skilangläuferin Beckie Scott, fühlte sich sogar gemobbt. Auch viele nationale Anti-Doping-Agenturen aus Nordamerika und Westeuropa distanzierten sich.

Es ist noch unklar, wie sich der neue Wada-Präsident Witold Banka positioniert

Analytisch und forensisch ist die Wada zwar besser aufgestellt, seitdem der frühere bayerische Polizeiermittler Günter Younger eine entsprechende Abteilung aufgebaut hat. Aber ob sich auch auf verantwortlicher Ebene etwas verändert, ist die Frage. Der künftige Wada-Chef Banka betonte gerade via FAZ-Interview wiederholt seine Unabhängigkeit, aber es bleibt abzuwarten, wie er sich gegenüber den einflussreichen Kräften der olympischen Welt positioniert. Es gab jedenfalls andere Kandidaten für den Posten, etwa die norwegische Politikerin Linda Helleland, die im Anti-Doping-Kampf mit progressiveren Plänen aufgefallen waren als der frühere 400-Meter-Läufer aus Polen.

In jedem Fall braucht es dringend eine weitere Reform der Wada. Der organisierte Sport dürfte operativ keinerlei Einfluss mehr haben, sondern müsste sich auf eine Rolle beschränken: die des Finanziers. Er sollte das aktuelle Jahresbudget der Wada von zirka 30 Millionen Dollar übernehmen, plus die weiteren Millionen, die es für einen effektiven Anti-Doping-Kampf bräuchte. Genügend Mittel hätte er, insbesondere durch die voluminösen TV-Rechte-Deals des IOC für seine Olympischen Spiele. Aber eine solche Konstellation haben die Sportführer bislang beharrlich vermieden.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2019
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