WM 2006:DFB-Affäre: Beckenbauers Märchen

Franz Beckenbauer given warning, fine by FIFA ethics committee

In der DFB-Affäre ist eine Millionensumme von Franz Beckenbauers Konto nach Katar geflossen.

(Foto: dpa)

Zu seiner Rolle im WM-Skandal sagte er wörtlich, er sei ein Trottel gewesen - das klingt harmlos. Tatsächlich aber ist der Kaiser viel tiefer verstrickt.

Kommentar von Claudio Catuogno

Über seine Rolle in der Sommermärchen-Affäre hat Franz Beckenbauer wörtlich gesagt, er sei ein "Trottel" gewesen. Trottel, das klingt irgendwie niedlich. Das klingt gutmütig und arglos, und genauso wollte Beckenbauer diese Selbstbezichtigung auch verstanden wissen. Da habe er es im Jahr 2002 doch tatsächlich in Erwägung gezogen, zehn Millionen Franken aus seinem Privatvermögen an die Fifa zu überweisen, um im Gegenzug 250 Millionen Franken Finanzzuschuss für die Organisation der Fußball-WM 2006 zu bekommen.

Die Geschichte mit den zehn Millionen: In der Beckenbauer-Version hat sie seine Verdienste um den schwarz-rot-goldenen Schunkelsommer sogar in noch hellerem Licht erscheinen lassen. Gut, er hat sein Privatkonto am Ende ja doch nicht anzapfen müssen - dafür ist bekanntlich der Adidas-Eigner Robert Louis-Dreyfus eingesprungen. Aber er wäre dazu bereit gewesen . . .

"Wir waren so begeistert davon, die WM zu haben. Ich hätte alles gemacht."

Zehn Millionen geben, um 250 Millionen zu bekommen? Ja gut, sicherlich, das klang auch für den Franz damals ein bisschen sonderbar. Aber sonderbar war bei der Fifa mit all ihren zwielichtigen Figuren ja quasi der Standard, wenn es um Finanzdinge ging. Und, noch mal O-Ton Beckenbauer: "Wir waren ja alle nicht normal. Wir waren so begeistert davon, die WM zu haben. Ich hätte alles gemacht."

Nun ist klar: Die Geschichte, in der sich der WM-Organisationschef Franz Beckenbauer mit seinem Privatvermögen um ein Haar zum Trottel gemacht hätte fürs große Ganze - sie war auch bloß ein Märchen. Beckenbauer hat im Kontext der WM 2006 mehr gemacht, als er zugeben mag. Zum Beispiel haben er und sein damaliger Manager Robert Schwan 2002 eben doch gezahlt, sechs Millionen Franken, auf das Konto einer Anwaltskanzlei im Schweizer Kanton Obwalden.

Von dort floss das Geld zeitnah weiter nach Katar, an eine Firma, die in Fifa-Kreisen als Korruptionszentrale für alle Fälle galt. Und der Zahlungszweck, den Beckenbauer und Schwan angaben, macht die Sache noch anrüchiger: "Erwerb von TV und Marketing Rechten Asien Spiele 2006". Wenn sich Beckenbauer zu jener Zeit mit etwas nicht befasst hat, waren es die Asien-Spiele.

Ob Beckenbauer nicht reinen Tisch machen könne, fragen sich viele

Die Kanzlei Freshfields, die diese dubiosen Geldflüsse im Auftrag des Deutschen Fußball-Bundes offengelegt hat, gibt an: Sie habe keine Beweise dafür gefunden, dass der Zuschlag für die WM 2006 gekauft war - sie könne es aber auch nicht ausschließen. In den Details zeichnet Freshfields aber ein Bild, das diesen ohnehin längst mit Händen zu greifenden Verdacht weiter erhärtet.

Außerdem legt der Bericht offen, wie im DFB sämtliche Kontrollmechanismen versagten, als es 2005 an die diskrete Rückzahlung des Louis-Dreyfus-Darlehens ging, und wie der inzwischen zurückgetretene Präsident Wolfgang Niersbach 2015 einen letzten verzweifelten Versuch unternahm, die Dinge nach alter Fußballer-Tradition still unter Kameraden zu lösen.

Für den DFB ist die Affäre nicht ausgestanden, es drohen Steuernachzahlungen in Millionenhöhe. Aber der Verband hat sich unter neuer Führung der bedingungslosen Transparenz verschrieben. Franz Beckenbauer hingegen verkriecht sich weiter in seiner Märchenwelt. Ob er nicht reinen Tisch machen könne, fragen sich viele. Die Zeiten waren eben andere damals, das Sommermärchen bleibt unvergessen - und ihm, der Lichtgestalt, würde das Land doch quasi alles verzeihen. Die neuen Erkenntnisse geben einen Anhaltspunkt, warum Beckenbauer das eben nicht kann. Weil sich auf dem Tisch über die Jahre zu viel Unrat angesammelt hat.

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