Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Der FC Bayern war noch nie so gut im ewigen Gewinnen

Zum fünften Mal in Folge steht der FC Bayern im Halbfinale der Champions League. Vom Schicksal oder von Setzlisten ist dieser Klub nicht abhängig.

Kommentar von Thomas Hummel , Lissabon

Karl-Heinz Rummenigge erklärte kürzlich: "Ich muss offen und ehrlich sagen: Irgendwann reicht's mir mit dem Schicksal." Der Vorstandsboss mokierte sich über den Umstand, dass sein großer FC Bayern schon im Achtelfinale der Champions League einem anderen Großklub zugelost werden könne. Wenn man immer ganz oben stehen will, dann kommen einem die Unwägbarkeiten des Fußballsports lästig vor. Dabei könnte sich Rummenigge ganz entspannt auf das Sofa legen. Denn vom Schicksal ist sein FC Bayern längst nicht mehr abhängig.

Mit dem turbulenten 2:2 in Lissabon hat der Klub zum fünften Mal in Serie das Halbfinale der Champions League erreicht. Demnächst bestreitet er sein siebtes DFB-Pokal-Halbfinale in Serie und wird zum vierten Mal in Serie Deutscher Meister. Der Verein hatte sich selbst schon vor Jahrzehnten dem ewigen Gewinnen verschrieben. Aber so gut wie derzeit klappte es noch nie. Pep Guardiola sagte fast bedauernd, wohl im Hinblick auf die Konkurrenz: "Es tut mir leid für die Leute - aber wir sind da." Der Trainer ist übrigens zum siebten Mal im Halbfinale der Champions League angekommen - in seiner insgesamt siebten Saison.

Was hätte es bedurft, um Bayern scheitern zu lassen?

Seriengewinnern schlägt nicht immer die große Liebe entgegen. Die feurige Stimmung im Estadio da Luz verdeutlichte, wie heiß das Blut werden kann rund um einen Herausforderer. Doch den Münchnern machte auch das nichts aus. Wie überhaupt schwer festzustellen ist, welcher Vorfall den Münchnern was ausmachen könnte. Früher konnte ein Fußballspiel auch gegen einen Außenseiter einfach mal blöd laufen. Dem Gegner gelingt mit dem ersten Angriff das 0:1, er fasst Mut, das Stadion brodelt. Doch selbst dann spielen die Bayern einfach weiter, erhöhen das Tempo, zeigen noch mehr Selbstbewusstsein - und drehen das Spiel. Welches Schicksal hätte es eigentlich bedurft, um sie in Lissabon scheitern zu lassen?

In nicht allzu ferner Zukunft wird man auf diese Mannschaft zurückblicken und sie mit Adjektiven wie "goldene" beschreiben. Da spielt gerade eine Generation, die das Gewinnen zur Fließbandarbeit macht. Schon 2010 beim Champions-League-Finale gegen Inter Mailand standen Philipp Lahm, Holger Badstuber, Arjen Robben, Franck Ribéry, Thomas Müller und David Alaba im Kader. Dazu natürlich Bastian Schweinsteiger. Manuel Neuer und Jérôme Boateng kamen dazu - mit dem Gerüst gehört der Klub seit Jahren zur Weltelite. Es ist eine Generation, die weiß, was sie will. Und die weiß, was nötig ist. "Du brauchst Leidenschaft, Willen, aber du brauchst auch die fußballerische Klasse und einen guten Plan", klärte Müller auf.

In wichtigen Partien und schwierigen Situationen werden diese Spieler größer. Es war wieder einmal faszinierend anzusehen, wie Philipp Lahm nach dem 0:1 in Lissabon plötzlich ein anderer wurde. Hatte er vorher vor allem hinten rechts Kurzpässe gespielt, kurbelte er nun das Spiel mächtig an, tauchte ständig im gegnerischen Strafraum auf und erhöhte fast alleine den Druck auf Benfica so lange, bis der Ausgleich fiel. Den er natürlich selbst vorbereitete.

Wie kommt Carlo Ancelotti damit klar?

Philipp Lahm wird auch mit 32 Jahren nicht müde zu gewinnen. Sieg, nächster Sieg, nächster Sieg, nächster Sieg und so weiter. Seit Jahren. Das Wort Schlendrian, es mal ein bisschen langsamer angehen lassen - beim FC Bayern längst kein Thema mehr. Wie wohl Carlo Ancelotti damit klarkommen wird?

Bis der Lebemann aus Italien kommt, regiert noch der detailversessene Katalane Guardiola. Dessen Ehrgeiz, den Faktor Glück im Fußball durch totale Kontrolle auszuschalten, deckt sich mit dem seiner Mannschaft. Es ist schwer, diese Bayern zu schlagen. Dazu braucht es besondere Gegner und die gibt es nur sehr, sehr wenige auf dem Fußballplaneten. Mit dem Halbfinale der Champions League geht es für die Bayern erst richtig los.

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