Kommentar:Das neue Hornberg

Unmittelbar vor der WM wollte der Weltverband auf die Forderungen von Athleten und Trainern reagieren, die schärfere Konsequenzen im Anti-Doping-Kampf angemahnt haben. Passiert ist fast nichts.

Von Joachim Mölter

Hornberger Schießen, das: Redewendung, die auf verschiedene Legenden aus dem 16. Jahrhundert zurückgeht. Bedeutung: ein Ereignis, das groß angekündigt wird und kläglich endet. Neuerdings auch: Hochfilzener Schießen. Nicht zu verwechseln mit: Biathlon-WM 2017.

Es ist zugegebenermaßen wenig, was am Mittwoch herauskam bei dem als außerordentlich einberufenen Kongress der Internationalen Biathlon-Union (IBU). Unmittelbar vor den Titelkämpfen in der Tiroler Gemeinde Hochfilzen wollte der Weltverband auf die Forderungen von mehr als 150 Athleten und 50 Trainern aus allen möglichen Ländern reagieren, die ganz dringend schärfere Konsequenzen im Anti-Doping-Kampf angemahnt haben. Hintergrund ist der McLaren-Report der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), der ein staatlich gelenktes Doping-System in Russland darlegt und unter anderen 31 russische Biathleten des Dopings beschuldigt.

Die Ergebnisse des Kongresses sehen nun so aus, dass manches gar nicht geht und vieles an Arbeitsgruppen delegiert wird, die sich darum kümmern sollen. Damit die Veranstaltung überhaupt etwas Konkretes vorzeigen kann, raffte sich der Vorstand dazu auf, "die Russische Biathlon-Union einzuladen, die WM 2021 bis zum 24. Februar 2017 zurückzugeben. Andernfalls wird die Vergabe nach Tjumen/Russland annulliert". Weniger war nicht möglich: Weil die russische Anti-Doping-Agentur von der Wada suspendiert ist, ist die Vergabe von Titelkämpfen nach Russland derzeit nicht in Einklang zu bringen mit den Regeln der Anti-Doping-Agentur. Die IBU muss also irgendwas tun, um nicht selbst bestraft zu werden.

Die Einladung zur Rückgabe der WM ist allerdings zunächst auch nur ein "Appell an Einsicht und diplomatisches Feingefühl", wie ein IBU-Sprecher erklärt. Weder das eine noch das andere scheint vorhanden zu sein im russischen Verband, der sehr provokativ reagiert in dieser ganzen Angelegenheit.

Bevor man nun auf die IBU einschlägt: Der Fall der Russen sowie die jüngste Affäre um die Kasachen zeigen ein weiteres Mal, wie eingeschränkt die Möglichkeiten von Fachverbänden im Anti-Doping-Kampf sind, sowohl was Ermittlungen angeht als auch Sanktionen. Die landen letztlich in den Händen staatlicher Behörden (wie in der Causa Kasachstan, siehe "Razzia bei der WM") oder müssten unter die Verantwortung des Internationalen Olympischen Komitees fallen, das die Beschäftigung mit diesem Thema aber gerne und gewohnheitsmäßig abwälzt. Es sind aber nicht immer bloß einzelne Athleten, einzelne Trainer, einzelne Ärzte, einzelne Sportarten, die sich der Dopingvergehen schuldig machen. Wenn der Verdacht aufkommt, dass es irgendwo ein staatliches, sportartenübergreifendes Doping-System gibt - und genau das wird im McLaren-Report über Russland behauptet und belegt -, dann ist das die Sache des IOC. Doch für dessen Anti-Doping-Kampf könnte der Begriff des Hornberger Schießens auch erfunden worden sein.

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