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Trainer bei RB Leipzig:Rangnick findet sich selbst

Weil es ihm kein Trainer recht machen konnte bei RB Leipzig, kehrt Ralf Rangnick nun selber auf die Bank zurück. Damit steht er als radikalster Vertreter für einen neuen Trend bei der Trainersuche.

Kommentar von Claudio Catuogno

Ein bis an die Schmerzgrenze ambitionierter Zweitligist, der von einem bis an die Schmerzgrenze ambitionierten Sportdirektor geführt wird, sucht einen Trainer. In der alten Zeit des Fußballs, sie ist noch gar nicht so lange her, hätte der Sportdirektor jetzt eine lange, lange Liste mit Kandidaten erstellt und sie von oben nach unten abgearbeitet, er hätte Gespräche geführt, die Reihenfolge variiert, er hätte sich Absagen von Thomas Tuchel, Markus Gisdol und Sascha Lewandowski eingeholt, er hätte weitergegrübelt und sondiert, und am Ende wäre er dann bei Markus Babbel rausgekommen. Oder bei Thorsten Fink. Oder bei Friedhelm Funkel oder Peter Neururer. Das allerdings war in der sehr alten Zeit.

Absagen von Tuchel, Gisdol und Lewandowski hat sich Ralf Rangnick, der ambitionierte Sportdirektor des deutschen Brause-Ablegers RB Leipzig, auch in der neuen Zeit des Fußballs geholt. Dann war die Liste allerdings abgearbeitet, mehr ernst zu nehmende Namen standen nicht drauf. Und deshalb hat Rangnick jetzt konsequenterweise einen Mann verpflichtet, den schon deshalb keiner auf dem Zettel hatte, weil dieser Mann es noch bis vor kurzen kategorisch ausgeschlossen hatte, Trainer in Leipzig zu werden. Sein Name: Ralf Rangnick.

Dass die Klubs die Besetzung ihrer wichtigsten Planstelle inzwischen nicht mehr davon abhängig machen, welcher Trainer-Promi ihnen vom rotierenden Karussell gerade vor die Füße purzelt - diesen Trend kann man an vielen Liga-Standorten beobachten. Erst werden Identitätsfragen gestellt: Was soll unsere Philosophie sein? Welche Spielidee wollen wir verfolgen? Was bedeutet das für unsere Transferpolitik? Es spricht für eine neue Generation von Führungskräften, dass sie zunächst den Korridor definieren, durch den ihr Trainer hindurchpassen soll, anstatt für immer neue Trainer immer neue Klubstrategien zu entwerfen. Häufig landet diese neue Manager-Generation dann bei Trainern, die im eigenen Laden schon das Anforderungsprofil erfüllen - in der Nachwuchsarbeit.

Prinzip Überfallkommando

So gesehen erweist sich Ralf Rangnick gerade als der radikalste Vertreter der neuen Zeit. Er hat den Anforderungskorridor so eng gefasst, dass nur ein Einziger hindurchpasst: er selbst. Nicht unbedingt für Führungskräfte spricht allerdings, wenn sie ihr Tagwerk im steten Bewusstsein verrichten, dass es außer ihnen selbst eh keiner kann.

Seit 2012 ist Rangnick für die Fußball-Ambitionen des österreichischen Brauseimperiums verantwortlich, regelmäßig jettete er zwischen den Außenstellen Salzburg und Leipzig hin und her. Und Leute, die ihn dabei beobachtet haben, erzählen, dass Rangnick bisweilen ein böser Verdacht beschlich, wenn er, nach einer Weile am einen Standort, zum anderen zurückkehrte: Hatte der Trainer während seiner Abwesenheit die reine Lehre verraten? Hatte er, hinter seinem Rücken, den bösen Ballbesitzfußball üben lassen?

So eindrucksvoll Rangnicks Selbstbewusstsein ist, so klar ist sein Plan vom Fußball: Verkürzt könnte man sagen, dass Rangnick nach null Prozent Ballbesitz strebt. Pressing, Umschalten, Abschluss - das ist sein Konzept, seine Teams sollen Überfallkommandos sein. So hat er einst die TSG Hoffenheim zur zwischenzeitlich heißesten Adresse des Landes gemacht. Als Trainer.

Unter dem Sportchef Rangnick als Trainer zu dienen, ist hingegen nicht leicht. Geschadet hat es aber auch noch keinem: Alexander Zorniger, vormals Leipzig, übernimmt jetzt den VfB Stuttgart. Roger Schmidt, vormals Salzburg, wirkt erfolgreich bei Bayer Leverkusen. Mit beiden hat Rangnick oft gehadert. Jetzt coachen sie eine Liga höher als er.

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SZ vom 30.05.2015/ska
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