Kommentar:Betrüger will Chef werden

Der Sport sucht nach Leuten, die etwas geleistet haben - und am Ende landet er immer wieder bei jenen, die sich etwas geleistet haben. Diese einfache Regel lässt sich gerade in der Welt des Eiskunstlaufs bestaunen.

Von Claudio Catuogno

Wenn einer Präsident eines Weltverbandes werden will, muss er natürlich schon mal was geleistet haben in seinem Sport. Insofern kann man den Eislauf-Weltverband ISU jetzt beglückwünschen, dass der französische Verbandschef Didier Gailhaguet, 62, seine Kandidatur für den Posten des obersten Kufentänzers verkündet hat; im kommenden Jahr will er dem 77 Jahre alten Italiener Ottavio Cinquanta nachfolgen, der aus Altersgründen nicht mehr antreten darf. Letzteres ist zwar furchtbar ungerecht, wenn man bedenkt, dass in anderen Verbänden auch 80-, 90-, und 120-jährige Präsidenten treu ihren Dienst tun und dabei allenfalls gelegentlich in den Vorstandssitzungen einschlafen. Aber wenn ein Gailhaguet bereitsteht, kann ein Cinquanta natürlich unbesorgt in den Ruhestand gehen. Denn wenn man es mit historischer Strenge betrachtet, war es Gailhaguet, der dafür gesorgt hat, dass sich das Eiskunstlaufen inzwischen ein modernes Wertungssystem gegeben hat.

Wie er das genau geschafft hat? Nun, bei Olympia 2002 in Salt Lake City zwang Gailhaguet die französische Wertungsrichterin, im Paarlaufen das russische Duo an Rang eins zu setzen. Im Gegenzug wurde im Eistanzen das französische Paar zum Sieger gekürt - mit russischer Hilfe. Die Sache flog auf, Gailhaguet wurde verbannt und für drei Jahre gesperrt, der Kufensport schlitterte in seine größte Krise - und angesichts der Drohung, wegen Intransparenz und Betrugsanfälligkeit aus dem olympischen Programm zu fliegen, gab sich die ISU ein neues Regelwerk. Die plakative Höchstnote 6,0 wurde abgeschafft und durch anonyme, komplexe Computerabstimmungen ersetzt, die zwar immer noch zu Manipulationen einladen, aber wenigstens nicht mehr so offenkundig.

Dass der verstoßene Obermanipulator 2007 bei der Wahl zum französischen Verbandschef auf Anhieb wieder eine Mehrheit bekam, hat ihn selbst am meisten überrascht. Dass er jetzt als erster Bewerber seine Kandidatur für die neue ISU-Spitze bekanntgegeben hat, dass er über den Sport herrschen will, den er einst beinahe im Alleingang vernichtet hätte - das taugt geradezu als Lehrstück dafür, wie es so läuft in diesem Glitzerbetrieb. Der Sport sucht nach Leuten, die etwas geleistet haben - und am Ende landet er immer wieder bei jenen, die sich etwas geleistet haben.

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