Kommentar:Athleten gegen Funktionäre

Eine Gruppe von Schwimmern probt den Aufstand gegen den Weltverband - und folgt damit einem Trend im Spitzensport.

Von Johannes Aumüller

Dieses Mal sind es also einige Schwimmer, die den Aufstand proben, und es sind durchaus prominente Namen dabei. Die dreifache ungarische Olympiasiegerin Katinka Hosszu sowie die beiden US-Amerikaner Michael Andrew und Tom Shields haben beim Bezirksgericht in San Francisco eine Sammelklage gegen den Schwimm-Weltverband Fina eingereicht. Ihr Ziel: die Macht der Fina zu brechen - und mehr Geld und mehr Rechte für die Athleten.

Der Anlass für die Klage ist der Umgang des Weltverbandes mit einem Event, an dem einige der besten Schwimmer teilnehmen wollten. Seit geraumer Zeit treibt der ukrainische Oligarch Konstantin Grigorischin eine Wettkampfreihe namens International Swimming League (ISL) voran, am 20. Dezember sollte sie in Turin beginnen. Für viele Athleten klingt sie lukrativ, weil die ISL eine üppige finanzielle Beteiligung verspricht. Doch die Fina untersagte einen Start, Hosszu & Co. zogen vor Gericht - und in einem weiteren Verfahren übrigens auch die ISL. Und so geht es jetzt formal um die Frage, ob der Weltverband Athleten verbieten kann, an solchen unabhängigen Wettkämpfen teilzunehmen.

Es ist die Eskalation einer schon länger schwelenden Entwicklung, und es ist keine Überraschung, dass die Ungarin Hosszu an der Spitze einer solchen Klage steht. Sie hat zwar nicht schlecht profitiert vom jetzigen System, zur ersten Preisgeld-Millionärin des Schwimmsports war sie aufgestiegen. Aber sie hat sich in den vergangenen Jahren schon oft mit Funktionären angelegt: Im Vorjahr verfasste sie Brandbriefe gegen die Fina-Führung und organisierte die Gründung einer Schwimmer-Gewerkschaft; nun erfolgt der nächste Schritt.

Doch zugleich bettet sich der Vorgang in einen größeren Kontext ein. Proteste von Sportlern gegen Verbände mag es immer schon gegeben haben, aber es ist auffallend, wie geballt das derzeit in der olympischen Welt passiert. 2017 etwa hat die EU-Kommission zwei niederländischen Eisschnellläufern recht gegeben, die sich von ihrem Weltverband ISU nicht die Teilnahme an einem Privatrennen in Dubai verbieten lassen wollten. In Deutschland führt das Bundeskartellamt ein Verfahren gegen den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und das Internationalen Olympische Komitee (IOC) - wegen zu restriktiver olympischer Werbe-richtlinien. Und Athleten-Organisationen diverser Länder drängen auf mehr Beteiligung an den Gewinnen des IOC.

Es ist ein nachvollziehbarer Trend. Unzählige Milliarden generiert die olympische Unterhaltungsindustrie, aber ein vergleichsweise überschaubarer Teil landet bei den Sportlern, die doch eigentlich im Mittelpunkt des Ganzen stehen sollten. Von den Athleten als "Nutzobjekten" sprach der deutsche Skirennfahrer Felix Neureuther einmal treffend. Und wenn das IOC und seine befreundeten Spitzenverbände das nicht von selbst aus ändern, wird es eben Zeit, dass sich verstärkt Gerichte und andere staatliche Stellen damit beschäftigen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: