Kölner Haie in der DEL:Jenseits des Donnergrollens

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Der Blick geht nach oben, notgedrungen: Trainer Uwe Krupp verfolgt am Dienstagabend die 2:3-Heimniederlage der Kölner Haie gegen Iserlohn. (Foto: Eduard Bopp/Imago)

Der achtmalige deutsche Eishockeymeister Köln befindet sich nach einer beispiellosen Talfahrt in ernster Abstiegsgefahr. Das jüngste Alarmzeichen: Trainer Uwe Krupp bemüht Moralrhetorik.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Das Donnerwetter ist bei den Kölner Haien ein Teil der Folklore. Kurz vor Beginn der Heimspiele zucken Blitze über den riesigen Videowürfel unter dem Hallendach, dröhnt Donner aus den Boxen und schießen unten auf dem Eis passend dazu Fontänen aus Feuerfunken in die Luft. Wenn alle wach sind, beginnt das Spiel.

Auch das Donnerwetter des Trainers Uwe Krupp am vergangenen Sonntag hatte wachrütteln sollen. Folklore war das allerdings nicht. Krupps Tirade gegen die eigene Mannschaft garnierte die seit Langem größte sportliche Krise des Eishockey-Traditionsvereins. "Ich habe die Schnauze voll", schimpfte Krupp nach einer 4:7-Niederlage in Nürnberg. "Die Schonfrist ist abgelaufen, in unserer Kabine müssen die Leute wieder in den Spiegel gucken können."

Am Dienstagabend in Köln verloren die Haie zwar schon wieder, diesmal 2:3 in der Verlängerung gegen den Kellernachbarn Iserlohn Roosters, doch einen vorsichtigen Blick in den Spiegel dürfen sie laut Trainer durchaus wieder wagen. "Die Mannschaft hat eine super Reaktion gezeigt", lobte Krupp, "ich habe Kampfgeist und eine super Arbeitsmoral gesehen." Das stimmt den nun ein bisschen besänftigten Trainer hoffnungsvoll für die verbleibenden acht Saisonspiele. Aber Zuversicht ist auch bitter nötig. Denn weiterhin droht den Kölner Haien der Abstieg in die DEL 2, in die zweite Liga des deutschen Eishockeys. Dieser Abstieg, sagt der Haie-Manager Philipp Walter, wäre für den Klub "existenzgefährdend".

Bilanz der letzten 20 Spiele: zwei Siege, 80 Gegentreffer

Vor knapp drei Monaten, am 12. Dezember, haben die Haie ein Auswärtsspiel in München gewonnen, 5:4. Anschließend standen sie auf dem vierten Platz der Deutschen Eishockey Liga, also dort, wo man diesen Klub im Ranking des gegenwärtigen deutschen Eishockeys auch ungefähr ansiedeln wollen würde. Doch dann begann wie aus dem Nichts eine Talfahrt, die selbst für diesen in den vergangenen Jahren immer wieder gebeutelten Klub beispiellos ist. Von den 20 Spielen seither gewann Köln genau zwei, kassierte 80 Gegentore und stürzte in der Tabelle auf den vorletzten Platz ab.

Eine Saison komplett in den Sand zu setzen, war in den vergangenen 15 Jahren in der DEL keine folgenschwere Tragödie, denn seit 2006 gab es keinen Abstieg mehr. In diesem Jahr aber haben sich DEL und DEL2 erstmals seit 16 Jahren darauf verständigt, dass es tatsächlich wieder einen Absteiger und einen Aufsteiger gibt - in der vergangenen Saison wurde der Abstieg pandemiebedingt ausgesetzt. Für die sportlich zerfallenden Haie kommt das zur Unzeit. Dabei haben sie noch Glück. Eigentlich sollte es sogar zwei Absteiger geben. Nur die Corona-Krise hat die beiden Ligen kürzlich zu dem Kompromiss gezwungen, sich auf einen Auf- und einen Absteiger zu einigen.

Weil Spielausfälle- und -verschiebungen aus der DEL-Tabelle einen statistischen Flickenteppich machen, entscheidet bis zum Saisonende nicht die Gesamtpunktzahl über die Platzierung, sondern der Quotient Punkte pro Spiel. Mit 1,25 Punkten pro Spiel standen die Kölner am Dienstagabend hinter Bietigheim (1,256) und vor Schlusslicht Krefeld (1,122). Am kommenden Dienstag spielt Köln zu Hause gegen Krefeld. Man kann sich vorstellen, was dann in der Kölner Arena los ist: Dort geht es auch um die Zukunft zweier Traditionsstandorte.

Mit den Haien in die zweite Liga? Krupp sagt, er konzentriere sich auf den Rest der Saison

Die Gefahr eines Abstiegs für den achtmaligen Meister Köln, der seit 1973 ununterbrochen in der höchsten deutschen Klasse spielt und dies nächstes Jahr sozusagen als goldenes Jubiläum feiern würde, hält Krupp für absolut real. "Wir müssen uns damit beschäftigen", sagte er am Dienstagabend nach dem Spiel, "wir sind in einer ernsten Situation, aber wir haben es immer noch selbst in der Hand." Wenn das Team die restlichen acht Spiele so bestreite wie gegen Iserlohn, "dann sehe ich uns auf einem guten Weg - aber es war und ist trotzdem wichtig, hier und da Tacheles zu reden".

Vor zwei Wochen erst hat Krupp seinen Vertrag bei den Haien langfristig verlängert. Da war die Abstiegsgefahr bereits allgegenwärtig. Aber kann man sich die Kölner Haie wirklich in der zweiten Liga vorstellen mit Gegnern wie den Ravensburg Towerstars, den Eispiraten Crimmitschau, den Bayreuth Tigers oder den Lausitzer Füchsen? Und kann man sich den zweimaligen Stanley-Cup-Sieger und langjährigen deutschen Nationaltrainer Krupp als Coach in der zweiten Liga vorstellen?

Auf die Frage, ob er mit den Haien in die zweite Liga gehen würde, antwortet Krupp: "Ich glaube, so weit sind wir noch nicht." Man beschäftige sich mit mehreren Szenarien, das schon, "aber wenn es nicht läuft, dann wird immer nur darüber gesprochen, was alles schlecht ist - und unsere Aufgabe ist jetzt, Wege zu finden, wie wir unsere Ziele erreichen". Nur auf diesen Job werde er sich für den Rest der Saison fokussieren. Was man im Abstiegskampf eben sagt.

Vom Manager Walter, der am Dienstagabend wegen einer Corona-Quarantäne nicht in der Arena sein konnte, kommt derweil ein alarmierender Appell. "Wir sind in Gefahr", sagt klipp und klar der 47-Jährige, der im Oktober von der Vereinigung der europäischen Eishockey-Klubs als Topmanager ausgezeichnet wurde. Erst musste er die Haie durch die Wirren der Corona-Krise lotsen, nun muss er sie auch noch vor dem Abstieg bewahren helfen. Acht Spiele bleiben ihm und Krupp noch, um dieses Schicksal des Kölner Eishockeys zu verhindern.

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