Köln verliert 1:2:Böcke, Pech und Pannen

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Erstmals in dieser Saison in Führung gegangen, am Ende aber doch wieder ohne Punkte: Der 1. FC Köln verliert das Derby in Leverkusen mit 1:2. Und ein Kölner verletzt den eigenen Mitspieler.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

"Jedes Mal das Gleiche", sagte Dominique Heintz, ein fatalistisches Lächeln huschte über sein Gesicht. Der Kölner Abwehrspieler hatte wieder einmal eine Partie erlebt, in der sein Team am Ende weniger mitnehmen durfte als möglich - außer natürlich das Lob der Gegner. "Die Kölner haben das sehr gut gemacht, sie standen hinten sehr gut", sagte Leverkusens Kevin Volland anerkennend. Das fiel dem Stürmer etwas leichter, weil am Ende doch ein 2:1-Sieg für die Werkself heraussprang; und vielleicht muss man Zyniker sein, um zu sagen, dass es nicht so wie bei den sieben vorangegangenen Kölner Niederlagen gewesen war: Erstmals in dieser Saison waren die Kölner in einem Spiel in Führung gegangen.

Kurz vor der Partie hatten die Leverkusener Fans eine aufwendige Derby-Choreographie aufleben lassen. Spruchbänder wurden enthüllt, auf denen stand: "Guess who is coming to save Leverkusen again? Goatbusters for hire. We're back!" Eine Anspielung auf die Hollywood-Komödie "Ghostbusters" und untermauert von den neun Toren aus den beiden vergangenen Pflichtspielen.

Köln beginnt cool, Guirassy dreht sich um den verdutzten Tah

Waren die Kölner verschüchtert? Überhaupt nicht, sie ordneten sich nur weit hinten ein, wo sie den Leverkusener Bockjägern die Luft zum Atmen nahmen. Die Kölner Offensiv-Bemühungen wirkten gezielter als etwa vor einer Woche beim 0:0 gegen Werder Bremen. Und weil es kein Geheimnis ist, dass Leverkusens Schwächen in der Defensive liegen, wurde Peter Stögers Team forscher. Seine Spieler trugen ihr Auswärtsensemble, mit graumäusigen Trikots und textmarkergelben Hosen dazu. Sie hätten giftgrün sein müssen, denn so traten die Kölner im Zweikampf auf.

Am Boden: Kölns Jannes Horn unterliegt Leverkusens Leon Patrick Bailey, der nicht nur den Ausgleich zum 1:1 schießt, sondern auch mithilft, die Kölner zu zermürben. (Foto: imago/T-F-Foto)

Die Leverkusener hingegen wirkten so, als glaubten sie, keine Zweikämpfe führen zu müssen. Zum Beispiel Jonathan Tah in der 23. Minute: Nach einem olympischen Einwurf des Kölners Frederik Sörensen erlaubte es der Innenverteidiger der Werkself dem gegnerischen Mittelstürmer Sehrou Guirassy, den Ball in aller Seelenruhe mit dem rechten Fuß mittig am Fünfmeterraum aus der Luft zu stoppen. Allerdings stand der Franzose immer noch mit dem Rücken zum Tor. Was würde der in den vergangenen Wochen oft so unglücklich agierende 21-Jährige tun? Dank Tahs Inaktivität hatte Guirassy die Zeit sich zu drehen. Und er würgte den Ball mit rechts über die Torlinie, sein stürmisch bejubelter erster Treffer in der Bundesliga.

In der ersten Halbzeit habe man es "ganz ordentlich" gemacht, untertrieb Peter Stöger - in dieser Zeit ließen sie gerade mal eine Leverkusener Chance zu. In der Nachspielzeit bot sich dann Simon Zoller die große Chance zum 0:2, doch sein Schuss wurde noch abgefälscht. Und nicht genug damit: Im Anschluss an die Ecke sprang Salih Özcan seinem Mitspieler Dominic Maroh in die rechte Hacke, woraufhin der Innenverteidiger ausgewechselt werden musste - ein bezeichnendes Bild für die von Pech und Pannen dominierte Kölner Saison.

Bailey macht die Kölner müde

Denn nach dem Wechsel konnte Köln "die Lücken nicht mehr schließen", wie Peter Stöger einräumte. Es gab "keine Entlastung mehr", vor allem wenn Leverkusen über Bailey anlief. Der Jamaikaner umdribbelte in der 53. Minute nach einer schönen Leverkusener Kombination über vier Stationen Kölns Torwart Horn und schob zum 1:1 ein - Maroh-Ersatz Lukas Klünter hatte das Abseits aufgehoben. "Es ist schwer, Bailey aufzuhalten, wenn er mit dem Gesicht Richtung Tor läuft", sagte Bayer-Trainer Heiko Herrlich sachlich. Bailey zwang Timo Horn zu zwei Paraden (65., 68.) und half dabei, die Kölner zu zermürben. Die Konzentration der Gäste litt, Tah stand bei seinem Kopfball nach einem Eckball sträflich allein, Kapitän Sven Bender war schneller am Ball als Lehmann und verlängerte zum 2:1 ins Netz (73.).

Kevin Volland (Mitte) ist nach dem Spiel voll des Lobes für den Gegner: "Die Kölner haben das sehr gut gemacht", sagt der Leverkusener anerkennend. (Foto: imago/Jan Huebner)

Danach kam Köln nicht mehr allein auf die Füße. Es bedurfte schon eines kuriosen neuen Kapitels in der Legende des Video-Beweises, um die Partie ab der 85. Minute wieder spannend zu machen: Bailey war bei einem Konter enteilt und hatte auf Volland abgelegt, der auch ins Kölner Tor traf. Die Bayer-Spieler feierten, die Zuschauer jubelten, die Stadion-Regie spielte die Titelmelodie aus "Ghostbusters" ein. Aber in dem Lärm ging unter, dass Referee Manuel Gräfe nach Studium der Video-Bilder (korrekterweise) auf Handspiel von Bailey entschieden hatte. Die Leverkusener diskutierten fassungslos (Volland: "Du denkst: Hä, was ist?") und waren plötzlich ungeordnet. Die Kölner hatten erstmals von einem Video-Beweis profitiert und wirkten, als hätten alle Adrenalin-Spritzen ins Herz bekommen. Aber zu einem Tor langte es nicht, weshalb Peter Stöger ganz schmucklos bilanzierte: "Es hat das Team mit der klareren Struktur, dem besseren Passspiel und mit mehr Esprit gewonnen."

© SZ vom 29.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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