1. FC Köln:Vom Geburtstagskind beschenkt

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Kommt in meine Arme! Kölns Siegtorschütze Damion Downs (Mitte) genießt den Moment. (Foto: Ralf Treese/DeFodi Images/Imago)

Ein Schnitzer des Schalkers Aydin lädt den 1. FC Köln zum nächsten 1:0-Sieg ein. Mit weiterhin recht schmucklosem Fußball wird die Tabellenführung in der zweiten Liga verteidigt.

Von Philipp Selldorf, Köln

Da ging er hin auf dem Weg in die Halbzeitpause, gebeugt, gebeutelt und schuldbewusst, an einem Tag, an dem er doch gefeiert und beschenkt werden sollte. Doch Mehmet Can Aydin, am 9. Februar vor 23 Jahren in Würselen bei Aachen zur Welt gekommen, bekam am Sonntag stattdessen den Ärger seiner Schalker Mitspieler zu spüren, allen voran vom Torwart Justin Heekeren, der das Geburtstagskind mit wütenden Gesten bedachte.

Und Schalkes rechter Verteidiger hatte auch nichts zu erwidern als Schuldbewusstsein und das Bekenntnis seines Fehlers, denn 50 000 Zuschauer in Köln-Müngersdorf und die Zeugen am Fernsehschirm hatten es alle gesehen: Aydins Schuldigkeit am spielentscheidenden 1:0 (43.) für den 1. FC Köln kurz vor dem Halbzeitpfiff lag bei circa 99 Prozent, nachdem er der allen Lehrbuch-Paragrafen widersprechenden Idee verfallen war, den Ball mit der Brust zum Torwart leiten zu wollen. Die Aktion missriet zur Vorlage für Kölns Angreifer Linton Maina, der den herrenlosen Ball dankbar aufnahm und an seinen Sturmpartner Damion Downs weitergab, der Rest war eine Kleinigkeit. „Fehler gehören dazu, er ist ein junger Spieler, der eine Einschätzung getroffen hat, die er hoffentlich nie wieder macht“, sagte Schalkes Trainer Kees van Wonderen später.

Dass sein Geschenk den einzigen Treffer am Sonntagnachmittag hervorbrachte, das brauchte sich Aydin jedoch nicht anlasten zu lassen. Das war schon das Gemeinschaftswerk von Trainer van Wonderen und seiner Mannschaft, die den Gastgeber Köln in durchaus nicht unwiderstehlicher Verfassung antrafen – Nachwirkungen der für sie bitteren Pokalpartie mit Überlänge am Mittwoch in Leverkusen (2:3) waren den Kölnern spätestens in der zweiten Hälfte anzumerken.

Schalkes Kapitän Karaman findet, dass Köln schlagbar gewesen sei

Doch van Wonderen war zu sparsam mit den Mitteln seines Kaders, zu spät startete er zur Offensive, die Kölner konnten ihren Vorsprung ins Ziel bringen. Zum siebten Mal seit Oktober, als Coach Gerhard Struber seinem Team den Rückzug in die Defensive verordnet hatte, gewann der FC eine Zweitliga-Partie mit 1:0. „Es schaut möglicherweise nicht immer schön aus“, räumte Struber ein, was alle gesehen hatten. Aber „im Moment ist es schwer, ins Toreschießen zu kommen“. 40 Punkte auf dem Konto und die Tabellenführung geben seiner Methode recht, der FC ist auf Kurs.

Schalkes Kapitän Kenan Karaman erfasste den Hergang des Spiels in einem Widerspruch: „Köln war schlagbar“, sagte er – und fügte hinzu: „Man hat gesehen, warum die oben und wir unten stehen.“ Der alte Westklassiker stand im Zeichen einer Gegenwart, in der die beiden Vereine ihre glorreichen Zeiten vorerst hinter sich haben. Auf der einen Seite das Kölner Team, das den Auftrag ernst nimmt, mit notfalls gnadenlos schmucklosem Fußball den Weg zurück in die erste Liga zu schaffen. Auf der anderen Seite ein Schalker Team im Umbau, dessen Fertigstellung in ungewisser Ferne liegt. Hoffnungen, man könne noch ein bisschen im Rennen um die vorderen Plätze mitmischen, haben sich nach den Niederlagen gegen Magdeburg (2:5) und nun in Köln für die Gelsenkirchener erledigt. Auf dem Programm steht nun die Gefahrenabwehr: Abstiegskampf ist unwahrscheinlich, aber möglich.

Schalke steigert erst nach einem Dreifach-Wechsel sein Offensiv-Niveau

Beide Seiten mussten personelle Defizite kompensieren. Die Kölner spielten ohne Abwehrchef Timo Hübers (gesperrt), auch Angreifer Tim Lemperle wird weiterhin dringend vermisst. Den Schalkern kam kurzfristig ihr erfolgreichster Torschütze Moussa Sylla mit einem Muskelfaserriss abhanden, was auch Auswirkungen auf den zweiten Torjäger hatte: Kenan Karaman rückte in die Angriffsspitze vor, kam mit der Rolle aber nicht zurecht. Immer wieder ließ er sich ins Mittelfeld fallen, anstatt die vorderste Linie zu besetzen.

Aber auch das Publikum hatte Probleme mit der Partie, die wenig Freude bereitete. Die erste Torchance tat sich erst in der 35. Minute auf: Schalkes Verteidiger Marcin Kaminski scheiterte an FC-Torwart Marvin Schwäbe. Downs schoss kurz darauf das 1:0 mit seinem fünften Ballkontakt – Zeugnis der verhaltenen Kölner Angriffsbemühungen. Erst nach einer Stunde entwickelte sich die Andeutung von Spielkultur, nachdem van Wonderen endlich drei Spieler eingewechselt hatte, die das offensive Niveau steigerten, darunter Linksaußen Ilyas Hamache und der technisch versierte Last-Minute-Zugang Aymen Barkok. Ein paar Möglichkeiten ergaben sich noch für die Schalker, doch zum Unglück des längst ausgewechselten Mehmet Can Aydin traf kein Mitspieler mehr zum Ausgleich.

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