Süddeutsche Zeitung

Köln gegen Leverkusen:Am Ende doch tosender Applaus

Durch zwei Tore von Anthony Modeste schafft der 1.FC Köln in einem aufregenden rheinischen Derby gegen Leverkusen ein 2:2 - für den deutschen Nationalspieler Florian Wirtz gibt es in der alten Heimat Pfiffe.

Von Philipp Selldorf, Köln

Die Ouvertüre dieses rheinischen Derbys erinnerte an alte Zeiten, als in der Stadt am rechten Ufer ein sehr beleibter Manager regierte und auf der anderen Seite des Flusses der sportliche Notstand. Auch diesmal ging es um die ewig ungleich verteilten Ressourcen Popularität - Vorteil Köln - und Finanzen - Vorteil Leverkusen. Besonders exponiert hat sich in der Debatte der Trainer Steffen Baumgart, der zwar aus dem hohen Norden stammt, aber sich einbrachte, als wäre er im legendär kölschen Severinsklösterchen zur Welt gekommen.

Ob Baumgarts missmutige Bemerkungen über die angeblich arglistige Abwerbung des beim 1. FC Köln herangezogenen Talents Florian Wirtz tatsächlich die Stimmung des Publikums beeinflusst haben, lässt sich nicht wissenschaftlich nachweisen - der Empfang für den 18 Jahre alten Nationalspieler in der alten Heimat war jedenfalls ein dezidiert unfreundlicher.

Wann immer er auch nur in die Nähe des Balls gelangte, setzten bereits grelle Pfiffe ein. Anfangs schien ihn die tönende Ablehnung zu beeindrucken, aber sehr bald brauchte sie ihn nicht mehr zu interessieren. Bayer Leverkusen hatte das wirkungsvollste Mittel eingesetzt, um die hitzige Stimmung abzukühlen: Zwei frühe Treffer ins Kölner Tor nahmen dem Spiel die Spannung und der Mehrzahl der Fans im Müngersdorfer Stadion die gute Laune.

Kaum ein Augenzeuge hätte es wohl für möglich gehalten, dass diese Partie am Ende in tosendem Applaus beim Stand von 2:2 beendet werden sollte. Anthony Modeste hatte die Begegnung durch zwei Tore in der zweiten Halbzeit gedreht und für ein glückliches Kölner Publikum gesorgt.

Statt planvoll abzuspielen knallt Linksverteidiger Frimpong den Ball an die Kölner Latte

Kein Widerspruch: Während Bayer Leverkusen am Sonntag zwei vermeintlich sichere Punkte wieder aus der Hand gab, hatte der 1. FC Köln diesen einen Zähler redlich verdient.

Der Eindruck der ersten Minuten ließ die Kölner Fans allerdings befürchten, ihre Mannschaft würde dort weitermachen, wo sie am vorigen Wochenende beim 0:5 in Hoffenheim durchaus desaströs aufgehört hatte. Die Vorlage zum 0:1 (13. Minute) stammte vom Kölner Mittelstürmer Modeste, der mit einem missglückten Diagonalpass den Leverkusener Konter eröffnete.

Über Robert Andrich und Moussa Diaby gelangte der Ball zu Patrick Schick, der stilecht vollendete. An diesem Spielzug sah nichts mühevoll aus, was außer am abgezockten Vorgehen der Bayer-Spieler auch an der lediglich passiv teilnehmenden Kölner Deckung lag. Noch etwas schwerfälliger und desorganisierter wirkte die FC-Abwehr beim 0:2, an dem auch der vergeblich geschmähte Wirtz mit einem feinen Lupfer seinen Anteil hatte. Karim Bellarabi erledigte schließlich den Job, die Kölner Konfusion mit einem Tor zu bestrafen (17.).

Gegen zwar aufrichtig bemühte, aber harmlose Kölner hatte Bayer die Partie, so sah es aus, voll im Griff, und das war wohl auch die Sicht der Leverkusener Spieler, die äußerst großzügig mit ihren Möglichkeiten verfuhren. Einen Konter in doppelter Überzahl schoss der schnelle Linksverteidiger Jeremie Frimpong mit einem Fernschuss gegen die Latte ab (25.) - statt mit einem planvollen Abspiel auf einen seiner freistehenden Kollegen, weitere fahrlässig verschenkte Möglichkeiten folgten.

Die Kölner nahmen die Einladung an und kämpften sich zurück ins vermeintlich schon verlorene Spiel, Kopfballchancen für Modeste und Hector setzten vor der Pause unverkennbare Lebenszeichen.

Nach der Pause ergab sich das gleiche Bild wie zuvor. Verzweifelt stürmische Hausherren ermöglichten den Gästen einen Konter nach dem anderen, der - einer nach dem anderen - zunehmend erbärmlich vertan wurde.

Das 1:2 durch Modeste war dann nur folgerichtig, zumal Bayers unseliger Abwehrchef Jonathan Tah bei Hectors Flanke eine gravierende Fehlberechnung angestellt hatte. Auch der Kölner Ausgleichstreffer (82.) war das Resultat eines Leverkusener Anfängerfehlers: Einwurf Kingsley Ehizibue, Kopfballverlängerung Sebastian Andersson, Kopfball Modeste - verdienter Lohn für den Mittelstürmer, der seinen Fehler beim 0:1 längst durch viele gute Taten gebüßt hatte und zum überragenden Spieler avancierte.

Florian Wirtz hatte da das Feld bereits verlassen, kaum jemand hatte es mitbekommen. Das Spiel hatte bessere Geschichten zu bieten.

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SZ/sjo/bek
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