1. FC Köln in der Bundesliga:Lauf, Linton, lauf

1. FC Köln in der Bundesliga: Und tschüss: Linton Maina (rechts) entwischt dem beileibe nicht langsamen Hoffenheimer Angelino.

Und tschüss: Linton Maina (rechts) entwischt dem beileibe nicht langsamen Hoffenheimer Angelino.

(Foto: Jörg Niebergall/Eibner/Imago)

Das 1:1 zwischen Köln und Hoffenheim bedient keine dramatischen Trends, bietet aber originelle Unterhaltung: Die Kölner setzen erfolgreich auf einen aus der Mode gekommenen Kniff.

Von Milan Pavlovic, Köln

Maserati, Lamborghini, Ferrari. Spieler mit Autos zu vergleichen, kann schnell unpassend wirken, aber im Fall der TSG Hoffenheim hilft es, um diesen rätselhaften Klub besser zu erklären. Der Verein leistet sich einen Kader, der auf dem Papier eine beachtliche Qualität besitzt. Viele Bundesligatrainer würden sofort mit Kusshand ein paar Spieler übernehmen. Es ist wie ein Fuhrpark voller Luxuskarossen, die allerdings zu kostbar sind, um bei Regen bewegt zu werden. Beim Spiel in Köln notierte man die Namen von Könnern wie Kramaric, Rutter, Kaderabek und Akpoguma - die wohlgemerkt allesamt bloß auf der Bank saßen, als die Partie angepfiffen wurde.

Eine Bundesligasaison hat 306 Spiele - unmöglich und ja, unnötig, sich an alle zu erinnern. Ein 1:1 zwischen Köln und Hoffenheim klingt nach einem Match, das man gerne schnell vergisst. In Wahrheit war dieses Spiel ein großes Vergnügen.

Die Gäste schienen nicht so richtig verstanden zu haben, was ihnen ihr Trainer André Breitenreiter mit auf den Weg gegeben hatte; sie hielten sich lieber an die Fakten, die besagten: Der 1. FC Köln hat zu viele Verletzte (neun) und außerdem für Ende Oktober schon viel zu viele Spiele bestritten; 52 Stunden vor dem Anpfiff hatten die FC-Spieler noch in einem tschechischen Örtchen namens Uherske Hradiste in der Conference League bestehen müssen. Und von den vergangenen acht Duellen gegen Hoffenheim hatten die Kölner exakt acht verloren, eine schwärzere Bilanz führt der FC nur gegen den FC Bayern.

Was dann passierte? Die Kölner liefen und liefen - und die Hoffenheimer hinterher. Über 122 Kilometer legten die Hausherren zurück, keiner war dabei so schnell wie Linton Maina, der mit 34,5 km/h geblitzt wurde und den Gastgebern ein taktisches Mittel erlaubte, das längst als überholt galt: Die Kölner schlugen lange Pässe in den Raum hinter die hoch stehende Hoffenheimer Abwehrkette, und dann sauste der noch ziemlich unbekannte Maina los, schloss selbst ab oder setzte Kollegen in Szene, so wie beim 1:0 durch Florian Kainz (13. Minute).

Hoffenheims Trainer Breitenreiter lässt seine Spieler ein bisschen leiden

Hoffenheims Defensivchef Kevin Vogt - in Köln noch zwiespältig in Erinnerung, weil er den Ball am liebsten mit dem Außenrist verteilt - wurde zweimal wie in einer Farce düpiert. Man fühlte sich erinnert an die legendäre Kiffer-Komödie "Up in Smoke", in der hinter der protzigen Rolls-Royce-Kühlerpartie ein VW Käfer zum Vorschein kommt. Ähnlich sprang Maina, 23, auch mit Vogts Partner Stanley N'Soki um. Dessen Trainer André Breitenreiter schaute sich das alles erst einmal in Ruhe an, der unerwartete Ausgleich durch Jacob Bruun-Larsen (36.) schenkte ihm Zeit dafür. Vielleicht wollte er seine Spieler auch ein bisschen dafür leiden lassen, dass sie seine Anweisungen nicht befolgten.

Oder er sah, dass Maina oft zu schnell für sich selbst war und seine Abspiele zu selten ankamen. "Wären Abschluss und Passspiel ähnlich überragend" wie seine Tempoläufe, "spielte Maina nicht beim 1. FC Köln", schrieb der Kölner Stadt-Anzeiger treffend.

1. FC Köln in der Bundesliga: Wird der Ball reingehen? Die Hoffenheimer Baumgartner (links) und Rutter sowie Kölns Keeper (Schwäbe) schauen gespannt, ob der Abschluss von Andrej Kramaric (auf dem Boden hinter dem entfernten Pfosten) das späte Siegtor bringt.

Wird der Ball reingehen? Die Hoffenheimer Baumgartner (links) und Rutter sowie Kölns Keeper (Schwäbe) schauen gespannt, ob der Abschluss von Andrej Kramaric (auf dem Boden hinter dem entfernten Pfosten) das späte Siegtor bringt.

(Foto: Sascha Meiser/Jan Huebner / Imago)

Nach der Pause betätigte Breitenreiter dann die Spaßbremse, indem er Kevin Akpoguma brachte, der kaum langsamer als Maina ist und den Kölner obendrein kalt lächelnd auflaufen ließ, als wäre er ein ziemlich beweglicher Prellbock. Trotzdem war augenfällig, dass am Ende kein TSG-Verteidiger aus der Startformation noch auf dem Platz stand: N'Soki wurde zur Halbzeit erlöst, Vogt wich verletzt, und Ozan Kabak, 22, opferte sich, als er als letzter Mann den davoneilenden Florian Dietz fällte (87.), der bald danach verletzt auswechselt werden musste als Nummer zehn der Kölner Versehrtenliste. Trotzdem nahm Steffen Baumgart Abstand davon, von der notdürftig aufgefüllten Ersatzbank Rijad Smajic (18 Jahre/Rückennummer 46), Joshua Schwirten (20/45), Georg Strauch (21/48) oder Maximilian Schmid (19/43) auf den Platz zu schicken.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Breitenreiter seinen Fuhrpark endgültig geöffnet. Die frischen Rutter und Kramaric sollten die zynische Pointe gegen die inzwischen auf Reserve agierenden Kölner setzen. Und tatsächlich, in der fünften Minute der Nachspielzeit tauchte Kramaric links am Fünfmeterraum auf und schob den Ball an FC-Torwart Marvin Schwäbe vorbei - und knapp am Pfosten. Das Remis war gerecht. Ungerecht war nur, dass das salomonische Ergebnis des 108. Saisonspiels verdeckte, was für ein Abenteuer so ein 1:1 bieten kann.

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